Jenseits des Staates: Wie echte Demokratie aussehen könnte

Dieser Text ist Teil einer Serie, in der ich mit ChatGPT Blogbeiträge schreibe. Unsere Texte verbinden fundierte, interdisziplinäre Analysen mit praxisnahen Beispielen – in klarer, authentischer Sprache. Basierend auf meiner Stilbiografie, die auf meinen 10 liebsten, selbst verfassten Texten beruht, setze ich auf effiziente Texterstellung und tiefgründige Reflexion, ohne den persönlichen Ausdruck zu verlieren.


Der Staat als Ordnung, nicht als Demokratie

Wenn Demokrat*innen vom Staat sprechen, meinen sie häufig: Institutionen, die dem Gemeinwohl dienen. Parlamente, die Mehrheiten repräsentieren. Gerichte, die Recht sprechen. Eine Polizei, die uns vor Gewalt schützt. In dieser Erklärung steckt ein normativer Idealismus, der selten mit der realen Funktionsweise des Staates abgeglichen wird.

Denn der moderne Staat ist in seiner Struktur kein neutraler Schiedsrichter zwischen gleichberechtigten Bürger*innen, sondern ein hochkomplexer Apparat zur Aufrechterhaltung bestehender Eigentumsverhältnisse.

Wer das für übertrieben hält, sollte sich ein paar unbequeme Fakten vor Augen führen – nicht als Einzelbeispiele, sondern als Symptome eines Systems:

  • In Deutschland zahlen lohnabhängige Arbeiter*innen prozentual deutlich mehr Steuern als Besitzer*innen großer Vermögen. Während eine Bäckerin mit 40.000 Euro Einkommen schnell bei einer Abgabenlast von 35–40 % landet, optimieren vermögende Familienbetriebe mithilfe von Steuerberater*innen und Stiftungsmodellen ihr effektives Steueraufkommen in Richtung Null.
  • Die Polizei verfolgt Ladendiebstahl, Schwarzfahren oder kleinere Drogendelikte mit weit mehr Ressourcen als etwa Umweltverbrechen oder Steuerbetrug. Cum-Ex-Deals in Milliardenhöhe ziehen selten konkrete Verurteilungen nach sich – eine Graffiti-Sprayerin hingegen riskiert in vielen Bundesländern eine mehrjährige Haftstrafe.
  • Wer sich einen teuren Anwalt leisten kann, hat erheblich bessere Chancen, einen Prozess zu gewinnen. Der Zugang zum Recht wird so indirekt zu einer Frage des Geldes, nicht der Gerechtigkeit. Besonders im Mietrecht, Arbeitsrecht und Verbraucherschutz liegt die Beweislast oft bei den ökonomisch Schwächeren.
  • Lobbyist*innen formulieren mitunter ganze Gesetzesvorlagen – in Bereichen wie Finanzmarktregulierung, Landwirtschaft oder Energieversorgung – die dann von Ministerien nahezu unverändert übernommen werden. Transparente Mitgestaltung durch die Bevölkerung? Selten.

Der Staat erscheint so nicht mehr als Ausdruck demokratischer Selbstbestimmung, sondern als Herrschaftsstruktur. Er übt ein Gewaltmonopol aus, das formal legitimiert, aber strukturell selektiv ist. Er reguliert nicht neutral, sondern interessengeleitet. Und er sichert Besitzstände gegen Umverteilung ab. In dieser Logik ist die staatliche Ordnung nicht primär demokratisch, sondern stabilisierend. Sie sichert, was ist – anstatt zu gestalten, was sein könnte.

Was dabei oft vergessen wird: Der moderne Staat ist ein historisch junges Gebilde – er ist kein Naturgesetz. Er entstand aus einer spezifischen Konstellation von Kapitalismus, Bürokratie und Gewaltmonopol. Was ihn legitimiert, ist weniger das Ideal der Demokratie als vielmehr seine Fähigkeit, Ordnung und Berechenbarkeit zu versprechen. Aber zu welchem Preis?

Was wäre demokratischer?

Wenn wir „echte Demokratie“ sagen, meinen wir in der Regel: mehr Beteiligung, mehr Transparenz, mehr Repräsentation. Aber was, wenn wir den Rahmen selbst verlassen? Was, wenn wir Demokratie nicht als Regierungsform denken, sondern als Lebensform? Als Alltagspraxis? Als soziale Infrastruktur, die permanent gepflegt, erneuert und infrage gestellt wird?

Einige spannende Experimente in diese Richtung gibt es bereits – sie wirken unscheinbar im Vergleich zur Staatsmacht, aber sie sind reale Keimzellen alternativer Ordnung:

  • In Porto Alegre (Brasilien) entscheiden Bürger*innen seit Ende der 1980er-Jahre direkt über rund 20–30 % des kommunalen Haushalts. In hunderten Versammlungen auf Nachbarschaftsebene werden Vorschläge gesammelt, priorisiert und durch Delegierte gebündelt. Der Erfolg: Massive Investitionen in sanitäre Infrastruktur, Schulen und soziale Dienste, vor allem in den ärmsten Stadtteilen. Und: Eine neue politische Kultur der Eigenverantwortung und Teilhabe.
  • In Irland entwickelte eine geloste Bürgerversammlung 2016–2018 die Grundlage für ein Referendum zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. In einem katholisch geprägten Land, in dem das Thema jahrzehntelang tabuisiert war, konnten 99 geloste Bürgerinnen – begleitet von Expertinnen, Ethiker*innen und Erfahrungsberichten – einen gesellschaftlichen Dialog ermöglichen, der in einem klaren Votum für Selbstbestimmung mündete.
  • Die Piratenpartei in Deutschland und andere politische Bewegungen haben mit Liquid Democracy-Ansätzen experimentiert: Dabei können Stimmen jederzeit an andere Menschen delegiert – oder zurückgerufen – werden. Wer sich in einem Thema nicht auskennt, überträgt die Entscheidung an jemanden, dem er oder sie vertraut – aber nur temporär und transparent.
  • Die Mondragón-Kooperativen im spanischen Baskenland haben eine demokratische Unternehmensstruktur mit über 70.000 Beschäftigten aufgebaut. Jeder Arbeiterin ist Miteigentümer*in, Entscheidungen werden gemeinsam getroffen. Die Lohnunterschiede sind begrenzt (Faktor 1:6 statt 1:400), Gewinne werden reinvestiert oder solidarisch umverteilt. Die Kooperative überstand selbst Finanzkrisen mit erstaunlicher Stabilität.
  • In Barcelona hat die Stadtregierung mit „Decidim“ eine digitale Plattform geschaffen, auf der Einwohner*innen Vorschläge einbringen, diskutieren und darüber abstimmen können – mit verbindlicher Rückmeldung aus der Verwaltung. Inzwischen wurde das Open-Source-System von Dutzenden Städten weltweit übernommen.

All diese Ansätze zeigen: Demokratie ist nicht auf Nationalstaaten angewiesen. Sie funktioniert auch lokal, digital, ökonomisch – überall dort, wo Macht geteilt und Verantwortung gemeinsam getragen wird.

Eine Welt jenseits des Staates

Stell dir vor, es gäbe keine Staaten mehr. Kein Bundesinnenministerium, keine Parlamente, keine nationalen Grenzen. Kein Kanzleramt, keine Polizei in Uniform. Aber auch: keine Steuererklärung, keine asylrechtlichen Kategorien, keine Landesverratsparagrafen.

Was bleibt, ist das, was gebraucht wird: Entscheidungen, Regeln, Abstimmungen, Aushandlungen. Aber sie folgen einer anderen Logik. Nicht mehr Repräsentation und Kontrolle, sondern Zugehörigkeit und Beteiligung. Die Welt ist gegliedert in bioregionale Lebensräume, vernetzt über kooperative Knotenpunkte, zusammengehalten durch offene, digitale und analoge Systeme kollektiver Selbstverwaltung.

In dieser Welt haben sich fünf große Veränderungen vollzogen:

1. Entscheidungssysteme sind verteilt, rückkoppelbar und offen Die Grundlage aller Governance ist ein modulares System kollektiver Entscheidungsfindung: Assemblies, Knoten, Räte, digitale Abstimmungsräume. Entscheidungen entstehen nicht durch Wahlen, sondern durch kontinuierliche Prozesse partizipativer Willensbildung, unterstützt durch transparente Software, deliberative Methoden und geloste Gremien. Jeder Beschluss ist revidierbar. Keine Entscheidung ist für immer. Rückmeldeschleifen sind institutionell verankert.

2. Eigentum ist funktional gebunden, nicht absolut Großflächiger Privatbesitz wurde in Nutzungsrechte und Kollektivformen überführt. Es gibt weiterhin persönlichen Besitz, aber keine Erbimperien, keine Investmentfonds, keine Shareholder-Logiken. Produktionsmittel gehören jenen, die mit ihnen arbeiten. Wohnraum ist kein Spekulationsobjekt mehr, sondern ein soziales Gut, das nach Bedarf verteilt wird.

3. Konflikte werden nicht unterdrückt, sondern gerahmt Ohne Polizei im klassischen Sinne gibt es lokale Konfliktmediation, schnelle Notfallinterventionsteams und öffentlich legitimierte Wiederherstellungszirkel. Gewaltprävention basiert auf Nähe, nicht auf Überwachung. Konflikte sind normal – aber die Gesellschaft ist trainiert darin, sie gemeinschaftlich zu verhandeln.

4. Wissen ist frei und Infrastruktur ist geteilt Bildung, Daten, Energieversorgung und Mobilität sind commons-basiert organisiert. Jeder kann Wissen beitragen, nutzen, kritisieren, weiterentwickeln. Infrastruktur folgt nicht der Logik von Profit, sondern von Resilienz. Redundanz ist gewollt. Systeme sind kleinräumig, aber interoperabel. Niemand muss Eigentümerin sein, um Zugang zu haben.

5. Zugehörigkeit ist prozesshaft, nicht exklusiv Staatsbürgerschaft wurde durch multiple, kontextgebundene Formen von Zugehörigkeit ersetzt. Menschen können Teil mehrerer politischer Räume sein – je nach Ort, Projekt, Rolle, Verantwortung. Migration ist keine Krise, sondern Normalität. Zugehörigkeit entsteht durch Beitrag, nicht durch Herkunft.

Was daraus entsteht, ist keine Utopie im klassischen Sinne – sondern ein dichtes, konflikthaftes, lernendes Gefüge.

Wie fühlt sich diese Welt an? – Wie Menschen diese poststaatliche Demokratie erleben könnten

Damit wir uns diese Welt nicht nur vorstellen, sondern auch emotional begreifen können, folgen wir vier fiktiven, aber realistisch gezeichneten Personen durch ihren Alltag in der poststaatlichen Demokratie.

1. Leila, 34, Technikerin für Energie-Kollektive

Leila lebt in einem urbanen Knotenpunkt, in dem ehemals staatliche Infrastruktur gemeinschaftlich betrieben wird. Sie arbeitet im Team „Energiefluss“, das sich dezentral um Wartung, Weiterentwicklung und Koordination von Solarnetzen, Windparks und Speicherzentren kümmert. Entscheidungen über größere Umbauten werden nicht von einer zentralen Verwaltung getroffen, sondern durch ein gestuftes Entscheidungsverfahren: lokale Vorschläge, deliberative Runden, Expert*innenbeiträge, Abstimmungen mit Vetorechten für betroffene Regionen.

Leila kann sich jederzeit in diese Prozesse einklinken – online oder über lokale Versammlungen. Letzte Woche hat sie in einem Bürger*innenrat mitdiskutiert, ob ein kleiner Waldstreifen gerodet werden darf, um ein neues Speichersystem zu bauen. Die Entscheidung wurde mehrheitlich abgelehnt. Stattdessen wird nun ein unterirdisches System geprüft – teurer, aber ökologisch vertretbarer.

2. Marouane, 52, Lebensmittelkoordinator im Bioregionalrat

Marouane organisiert als Teil eines bioregionalen Ernährungsrates die Logistik für drei Regionen. Er handelt nicht als Manager, sondern als Koordinator in einem rotierenden Gremium, das ständig Feedback aus der Bevölkerung einholt – über wöchentliche Open Assemblies, digitale Rückmeldekanäle und spontane Vetos, wenn Entscheidungen nicht ausreichend begründet wurden.

Als sich kürzlich abzeichnete, dass eine der lokalen Genossenschaften unfaire Arbeitspraktiken einführte, wurde dies von mehreren Lieferkollektiven öffentlich gemacht. Innerhalb von 72 Stunden rief ein Jugendkollektiv ein Sonderforum ein, das temporär beschloss, alternative Lieferwege zu aktivieren. Die Arbeitspraktiken wurden öffentlich dokumentiert, mediativ verhandelt und nach einer Entschuldigung und Umbesetzung der Leitungsstruktur die Zusammenarbeit wieder aufgenommen.

3. Sima, 28, Teil einer mobilen Konfliktmediationseinheit

Sima gehört zu einer mobilen Gruppe, die auf kollektiven Wunsch in Konfliktregionen gerufen wird. Ihre Aufgabe ist nicht Durchsetzung, sondern Klärung. Sie arbeitet mit Praktiken aus der Gewaltfreien Kommunikation, mit Methoden der systemischen Mediation und partizipativen Konflikttransformation.

In der letzten Woche war sie in einem dezentralen Wohnprojekt im Einsatz, wo es Spannungen zwischen alten Bewohner*innen und neu Zugezogenen gab. Mittels Story Circles, moderierter Rückfragen und einem transparenten Entscheidungsverfahren konnte ein neuer Modus der Raumverteilung gefunden werden, der auf rotierender Nutzung und geteilten Verantwortlichkeiten basiert. Ein Folgeforum in sechs Wochen ist bereits geplant – inklusive Erinnerungsbot auf dem lokalen Infokanal.

4. Ekin, 41, transnationale Brückengestalterin

Ekin lebt in einem Grenzgebiet – wobei „Grenze“ in dieser Welt nichts mit Nationen zu tun hat, sondern mit kulturellen Kontexten, ökologischen Zonen und historischen Verwurzelungen. Sie arbeitet an der Schnittstelle zweier Regionen mit unterschiedlichen Entscheidungsmodellen – eine davon nutzt stärker digitale deliberative Tools, die andere bevorzugt analoge, zyklische Foren.

Ekins Aufgabe ist es, Austauschprozesse zu gestalten, Konfliktlinien sichtbar zu machen und Übersetzungen zu ermöglichen – sprachlich, kulturell, epistemisch. Sie wurde nicht „gewählt“, sondern vorgeschlagen, berufen und in einem temporären Mandat bestätigt. Alle drei Monate gibt es eine Evaluationsrunde durch die Communities, deren Ergebnisse öffentlich dokumentiert werden.

In einer kürzlichen Auseinandersetzung über Wasserrechte gelang es Ekin, ein neues Modell des „rotierenden Ressourcenanspruchs“ mitzuentwickeln: Je nach Jahreszeit, Niederschlagsmenge und ökologischem Stresslevel wandert die Entscheidungskompetenz zwischen den Regionen – algorithmisch gestützt, aber menschlich bestätigt.

Und heute?

Wir leben (noch) nicht in dieser Zukunft. Aber wir können ihre Umrisse erkennen – in Nachbarschaftsräten, in offenen Plattformen, in sozialen Kämpfen, in kollektiven Erfahrungen. Der Weg dahin ist voller Widersprüche. Aber er beginnt dort, wo wir aufhören, uns mit dem Bestehenden zufrieden zu geben. Und wo wir anfangen, Demokratie nicht nur zu fordern, sondern zu leben.

Was, wenn Demokratie erst dann radikal wird, wenn sie aufhört, auf den Staat zu warten?

Blogadmin, kritischer Zukunftsforscher und Realutopist. Mehr über den Blogansatz unter dem Menüpunkt Philosophie.

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