Bill Gates und das Machtproblem des Philanthrokapitalisten

Bill Gates hat Corona nicht erfunden, ist aber einer der wichtigsten Player wenn es um die Zukunft des weltweiten Gesundheitssystems geht. Gates klebt bei diversen Themenkomplexen ganz schön viel Scheiße am Schuh. Das größte Problem des “Philanthropen” ist jedoch: Der Microsoft-Guru wird vielfach als jemand gelesen, der weiß, was die Welt braucht – dabei agiert er genau in der überheblichen Management-Logik, die uns die schlimmsten Krisen erst beschert haben.

Bill Gates im Mittelpunkt von Corona Verschwörungen

Bill Gates wurde im Netz vielfach als ein Hauptschuldiger der Pandemie propagiert. Er sprach schon Jahre vorher von der Gefahr solcher Viren. Jetzt habe er Corona angeblich forciert, um die Bevölkerungszahl zu kontrollieren oder plane gar durch die Impfungen Micro-Chips zu implantieren. Diese und andere Theorien, wie sie unter anderem vom deutschen Chef-Verschwörer Ken Jebsen verbreitet wurden, halten keinem Faktencheck stand. Solchen Theorien fehlt es an plausiblen Argumenten über reine Behauptungen hinaus.  

​​Ich möchte in diesem Kontext auf die Gefahr einer Solidarisierung mit Bill Gates aufgrund solch unplausibler Anschuldigungen hinweisen. Klar, Gates versucht sich in seiner Arbeit als Philanthrop an den richtigen und wichtigen Themen unserer Zeit. Doch nur weil Bill Gates im Mittelpunkt von Corona-Verschwörungstheorien steht, darf ihn das nicht gegenüber plausibler Kritik bei dieser Arbeit immunisieren. Denn davon gibt es reichlich…

Bill Gates: Denker, Manager & Macht-Mensch 

Der sechsjährige Bill antwortete auf die Frage seiner Mutter, was er denn immer in seinem Zimmer machen würde: “Denken. Hast du es schon einmal damit versucht?” Die Eltern zogen einen Psychologen zu Rate. Der kam nach einem Jahr Therapie zum Schluss, dass die Mutter besser nachgeben solle – Bills Wille sei zu stark. Es ergebe keinen Sinn, mit ihm in den Konflikt zu gehen. 

Die Biographie “Idea man” Microsoft-Mitgründer Paul Allen rezensiert Christoph Dernbach für die dpa folgendermaßen: “Den ersten Mega-Erfolg landete Microsoft 1980, nachdem sich der Computerriese IBM dazu entschied, das Betriebssystem für den ersten Personal Computer nicht selbst zu entwickeln, sondern bei Microsoft einzukaufen. Gates hatte den Anzugträgern von der Ostküste jedoch ein System angeboten, das Microsoft noch gar nicht entwickelt hatte. Paul Allen half Microsoft damals aus der Klemme, indem er bei einem Bekannten für 50 000 Dollar das System QDOS einkaufte, aus dem dann das PC-Betriebssystem MS-DOS wurde.”

Später versuchte Gates nach Allens Krebsdiagnose seine Anteile am Unternehmen zu schmälern – und das obwohl Allen laut eigenen Angaben der kreative Kopf hinter Microsoft war und Gates eher im Management punktete. Wobei: Im Prozess wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens 1998 drehte sich Gates selbst einen Strick, indem er die Abgeordneten besserwisserisch belehrte und nachweislich log. Seine Art des Managements wurde daraufhin u.a. auch von den Simpsons parodiert:

Bill Gates ist berühmt für sein Micromanagement, Angestellte beschimpfte er in Präsentationen mit Kommentaren wie “Das ist das Dümmste, was ich je gehört habe.”

Eine der dümmsten Dinge, die ich je gehört habe, ist die, dass der Turbokapitalist Gates sein Vermögen an die zufällig nach ihm benannte Stiftung abgibt, nur um der Welt Gutes zu tun. Mit einem Vermögen von 50 Milliarden Dollar ist die Stiftung heute eine der größten weltweit. Interessante Texte dazu heißen beispielsweise:

Bill Gates beging jahrelang Machtmissbrauch, indem er Mitarbeiterinnen von Microsoft und der Gates Foundation sexuell nötigte. 2020 gab er sogar seinen Sitz im Verwaltungsrat auf – wie bekannt geworden ist, auf Drängen des Gremiums hin wegen einer früheren Affäre mit einer Mitarbeiterin. Seine Frau Melinda Gates ließ sich unter anderem deswegen nach 27 Jahren von ihm scheiden. “Wenn man neben Bill redet, kann es schwierig sein, gehört zu werden und die eigene Stimme zu finden”, deutete sie in ihrem Buch an. Darin beschreibt Melinda Gates auch, wie ihr Mann jahrelang verhinderte, dass sie in der Stiftungsarbeit auch nach außen auftritt.

Zudem störte sich Melinda Gates offenbar daran, dass ihr Mann Kontakt mit dem Sexualstraftäter Jeffrey Epstein pflegte – in diesem Zusammenhang nahm sie auch wieder ihren Mädchennamen an. Bill Gates hatte sich nach Berichten der New York Times seit 2011 mehrfach mit Epstein getroffen, als bereits erste Ermittlungsverfahren im Gange waren. Nachdem Epstein 2019 zudem wegen Mädchenhandels angeklagt worden war, zitierte die New York Times Bill Gates mit der Aussage, dass Epsteins “Lebensstil sehr anders und auf gewisse Weise faszinierend” sei, auch wenn es nichts für ihn selbst wäre. Berichten zufolge wusste French Gates nichts von bestimmten Details im Zusammenhang mit Gates und Epsteins Verbindungen, die in dem Times-Artikel von 2019 erwähnt wurden. Ihr nahestehende Quellen behaupten, dass French Gates kurz nach der Veröffentlichung des Artikels begann, Scheidungsanwälte zu konsultieren. Offensichtlich hatte nun selbst eine Vertraute Weggefährtin nach 27 Jahren gemerkt, was Bill Gates für ein Typ ist.

Die Frankfurter Rundschau schreibt über die Affäre: “Epstein, der 2019 tot in seiner Zelle in einem New Yorker Gefängnis aufgefunden wurde, war auch mit von der Partie, als sich Bill Gates im Jahr 2013 in Straßburg mit Thorbjørn Jagland traf, der damals die Position des Vorsitzenden des norwegischen Nobelkomitees innehatte.” (…) „Er [Gates] dachte, dass Jeffrey ihm helfen könnte, dass er die richtigen Leute kennen würde oder dass er die Dinge so deichseln würde, damit er den Friedensnobelpreis gewinnt. Das ist es, was Bill sich mehr als alles andere wünscht“, so ein ehemaliger Mitarbeiter der Gates Stiftung. „Er war letztlich wohl ziemlich enttäuscht, dass es nicht geklappt hat.“

Bill Gates, den man wohlwollend als Typus “Manager der alten Schule” bezeichnen könnte, verkehrt also mit einem verurteilten Sexualstraftäter (hier geht es übrigens vielfach um Minderjährige), um über Microsoft hinaus auch offizielle Anerkennung für seine Verdienste gegenüber der Menschlichkeit zu erlangen. Am besten in Form eines Friedensnobelpreises. Doch wofür eigentlich? 

Philanthrokapitalistischer Erlösermythos jenseits demokratischer Prozesse

Blicke ich auf all diese Themen würde ich erstmal vermuten, dass Bill Gates jetzt nicht derjenige ist, auf den ich beim Retten der Welt als erstes setzen würde. Gates führt seine Stiftung wie einst den Microsoft-Konzern: Von Geldempfängern verlangt er genaue Rechenschaft darüber, wie die Mittel mit welchem Resultat eingesetzt wurden. Eben klassischer, kapitalistischer Manager. Ein aktuelles Beispiel im Themenfeld Ernährung zeigt Probleme des sogenannten “White Saviorism”:

https://www.instagram.com/p/CUvVsAsrS5n/?utm_medium=copy_link

Das durch die Gates Foundation finanzierte AGRA-Programm bevorzugte durch den Fokus auf Produktivität das kurzfristig vielversprechende Getreide Mais, jedoch auf Kosten nahrhafterer und widerstandsfähigerer Getreidepflanzen wie Hirse und Sorghum. So ist die Zahl unterernährter Menschen in den 13 AGRA-Ländern nach Schätzungen zwischen 2006 und 2020 um 30 Prozent gestiegen. Das schlussfolgert der Forscher Tim Wise (Tufts University Massachusetts) in seiner Studie über das AGRA-Programm mit dem Titel “Falsche Versprechen”, die u.a. von Brot für die Welt, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und fünf afrikanischen Organisationen unterstützt wurde. 

AGRA trägt systematisch dazu bei, politische Prozesse und Gesetze in den Ziel-Ländern im Sinne der “Grünen Revolution” und zu Ungunsten kleinbäuerlicher Erzeuger*innen sowie zum Schaden der Umwelt zu verändern. Wie die Freitag-Redakteurin jedoch richtigerweise anmerkt: “Auch die Grüne Revolution in Deutschland, die Umstellung des Agrarsektors auf ökologischen, klimafreundlichen, nachhaltigeren Anbau ist bislang nicht groß vorangekommen, auch hier haben Agrarkonzerne die Macht.”

Während Ernährung natürlich ein zentrales Thema für die Gesundheit darstellt, wirkt die Gates Foundation noch direkter auf weltweite Gesundheitspolitik ein. Die Bill & Melinda Gates Stiftung ist laut World Health Organisation (WHO) der zweitgrößte Spender nach den USA – die Zuwendungen machen aber 11,41 Prozent der Finanzierung aus. Spenden der Gavi Impfallianz, welche zu einem großen Teil von der Gates-Stiftung finanziert wird, entsprechen 6,49 Prozent. In diesem Jahrhundert kamen so 2,5 Milliarden an Zuwendungen zustande. Dieses Geld ist jedoch zweckgebunden. Der SWR schreibt: “So investiert die Gates Stiftung vor allem in technische Maßnahmen gegen Infektionskrankheiten, zum Beispiel in Impfkampagnen und die Verteilung von Medikamenten. Gesundheitsexperten wie Thomas Gebauer von der Hilfsorganisation Medico International kritisieren, dass dadurch andere wichtige Aufgaben vernachlässigt würden – der Aufbau funktionierender Gesundheitssysteme in armen Ländern zum Beispiel.”

Gebauer macht deutlich, dass er der Gates-Stiftung durchaus zugesteht, dass ihre Arbeit Millionen Menschenleben gerettet hat. Er kritisiert jedoch die Macht-Logik, mit der Gates agiert. Der Deutschlandfunk schreibt dazu: “Wie ein Alleinherrscher zur Zeit des Feudalismus setze er weltweit sein Konzept von Gesundheitsarbeit durch. Das ist das typische Konzept von Unternehmern, von Managern, die sagen: Wir können die Welt ändern oder wir können die Welt gestalten aufgrund von Management, ein bisschen Wissenschaft und Kapital.“

Bill Gates und Gene Drives

2021 habe ich freiberuflich für die Zukunftsstiftung Landwirtschaft gearbeitet und die Kommunikation der “Stop Gene Drives”-Kampagne unterstützt. Nach deren Angaben sollen Gene Drive Organismen “ihre Artgenossen in der Natur verdrängen oder gar ausrotten. Ihre Freisetzung kann unvorhersehbare Folgen für Ökosysteme und Nahrungsnetze haben. Rückgängig zu machen ist sie nicht. Im schlimmsten Falle könnte dies zu weiterem Artensterben und zum Zusammenbruch ganzer Ökosysteme führen und auch die menschliche Gesundheit und Ernährung gefährden.” Sie seien damit “eine der riskantesten Anwendungen von Gentechnik, die jemals entwickelt wurde.”

Die Gates Foundation ist mit dem amerikanischen Militär der größte Finanzier der Forschung mit Gene Drive-Organismen. Gates verspricht sich von dieser Forschung die Menschheit von dem Problem der durch Mücken übertragenen Malaria zu befreien. Dafür will er als Held gefeiert werden. Solide, staatlich-unabhängige Gesundheitssysteme sind im Vergleich natürlich deutlich weniger sexy. 

Entsprechend investiert die Gates Foundation in die Beeinflussung des Diskurses rund um die Gene Drive-Technologie. Die Böll Stiftung deckte 2017 in den sogenannten Gene Drive Files auf, dass die Gates Foundation “eine private Agrar- und Biotech-PR-Firma bezahlt hat, um eine undercover advocacy coalition zu leiten, die zum Ziel hatte, den einzigen UN Prozess zu unterminieren, der sich explizit mit der möglichen Regulierung der Gene Drive Technologie befasst.”

Sag also bitte nicht: “Aber Bill Gates war doch ein sehr erfolgreicher Unternehmer.” Das bringt nur den Bias zu tage, den wir gegenüber erfolgreichen Menschen haben. Nämlich, dass sie die Welt besser verstehen würden als wir. Nur weil Bill Gates mit einer gewissen (unternehmerischen) Denke sehr erfolgreich war, heißt das noch lange nicht, dass sich damit jetzt alle Probleme der Welt lösen lassen. Im Gegenteil verschlimmert dieses unternehmerisch zupackende, technologiehörige Verhalten viele Situationen, wenn es beispielsweise bewusst demokratische Prozesse aushöhlt.

Für mich steht Bill Gates für eine alte Welt, von der wir nicht mehr, sondern weniger brauchen. 

Blogadmin, kritischer Zukunftsforscher und Realutopist. Mehr über den Blogansatz unter dem Menüpunkt Philosophie.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Back to Top