Zwischen Erkenntnis und Umsetzung: Warum Wissenschaft oft zu wissen glaubt, was getan werden muss – und dabei scheitert

Dieser Text ist Teil einer Serie, in der ich mit ChatGPT Blogbeiträge schreibe. Unsere Texte verbinden fundierte, interdisziplinäre Analysen mit praxisnahen Beispielen – in klarer, authentischer Sprache. Basierend auf meiner Stilbiografie, die auf meinen 10 liebsten, selbst verfassten Texten beruht, setze ich auf effiziente Texterstellung und tiefgründige Reflexion, ohne den persönlichen Ausdruck zu verlieren.


In den letzten Jahren lässt sich ein neues Selbstverständnis innerhalb der Wissenschaft beobachten. Während der klassische Vorwurf des Elfenbeinturms – das weltabgewandte Forschen ohne Praxisbezug – lange den Ton angab, tritt heute vermehrt ein anderes Phänomen in Erscheinung: ein wachsendes Sendungsbewusstsein. Wissenschaft wird nicht mehr nur als Erkenntnissystem verstanden, sondern als moralische Instanz – als diejenige, die weiß, was zu tun ist. Sie spricht nicht mehr nur mit, sie fordert Handlungen ein.

Doch damit verschieben sich Rollenbilder und Erwartungen. Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse plötzlich Handlungsimperative transportieren, wenn Forscherinnen zu politischen Beraterinnen werden – dann wird aus analytischer Klarheit schnell eine Art epistemischer Überheblichkeit. Der Subtext: „Wir wissen, was richtig ist – ihr müsst es nur umsetzen.“

Zwei Brillen – und zu selten das Brillenglas geputzt

Was dabei oft fehlt, ist die explizite Reflexion darüber, mit welcher Brille jemand auf die Welt schaut. Beobachte ich die Welt als Wissenschaftlerin, der vor allem verstehen will, wie etwas funktioniert? Oder als Beraterin, die aus Erkenntnissen normative Ableitungen trifft und politisches Handeln fordert?

Diese Unterscheidung ist zentral – denn sie verändert alles: Sprache, Haltung, Erwartung. Wer die eigene Brille nicht kennt, läuft Gefahr, andere mit überzogenen Handlungsansprüchen zu überfordern oder sie für systemische Blockaden verantwortlich zu machen, die sie selbst gar nicht auflösen können. Der Klimaforscher, der „endlich entschlossene Maßnahmen“ verlangt, steht oft der Ministerialbeamtin gegenüber, die unter zehn konkurrierenden Prioritäten Ressourcen umverteilen muss – im Schatten einer föderalen Komplexität, die wenig Raum für Idealismus lässt.

Von Obama lernen: „Yes, we can“ – oder eher „No, he can’t“?

Ein prägnantes Beispiel für dieses Dilemma ist die Präsidentschaft Barack Obamas. Viele seiner Vorhaben – vom Klimaschutz über Gesundheitspolitik bis hin zur Finanzmarktregulierung – beruhten auf wissenschaftlich gut abgesicherten Grundlagen. Doch was bleibt, ist ein enttäuschendes Echo: No, he can’t. Unterstellen wir ihm mal, dass er wollte. Aber die Systeme, in denen politische Handlungen stattfinden, sind weit komplexer, träger und widersprüchlicher, als jede Modellrechnung es abbilden kann.

Wo Normativität beginnt – und warum sie selten in der Forschung selbst liegt

Hier ist eine Differenzierung hilfreich: Die Forschung selbst ist meist nicht normativ. Sie generiert Wissen, oft entlang klarer methodischer Standards. Normativ wird es in dem Moment, in dem aus Wissen Handlungsfolgen abgeleitet werden – in der Rolle der wissenschaftlichen Beratung. Also dort, wo nicht nur beschrieben wird, wie etwas ist, sondern formuliert wird, wie etwas sein sollte.

In dieser Rolle überlappen sich Disziplinlogiken mit politischen Logiken. Doch selten werden diese Übergänge offen benannt oder kritisch reflektiert. Das Ergebnis: Wissenschaftler*innen halten sich für neutral – während sie längst politische Interessen vertreten. Oder sie vertreten normative Visionen – und erwarten von der Realität, dass sie sich gefälligst anpassen möge.

Was wir stattdessen brauchen: Verbrüderung statt Missverstehen

Der Schlüssel liegt nicht in der Schwächung wissenschaftlicher Stimmen – sondern in ihrer bewussteren Rollenklarheit. Es braucht mehr gegenseitiges Brillenbewusstsein: Wenn alle Beteiligten wissen, mit welcher Haltung sie in ein Gespräch gehen, wird Zusammenarbeit wahrscheinlicher. Verbrüderung statt Missverstehen bedeutet: Die Wissenschaft lernt von der Politik, was machbar ist – und die Politik nimmt die Wissenschaft ernst, ohne sie für unrealistische Erwartungen zu verurteilen.

Doch das passiert nicht von selbst. Es braucht strukturelle Innovationen. Fünf konkrete Vorschläge:


1. Ein Normativ-Pragmatik-Kontinuum

Forschende verorten ihre Projekte entlang zweier Achsen: Wie normativ ist mein Projekt (welche Soll-Vorstellungen enthält es)? Und wie sehr orientiert es sich an realpolitisch Machbarem?

2. Survey-Instrument für Rollenbewusstsein

Ein Fragebogen macht sichtbar, wie Wissenschaftlerinnen sich selbst sehen – als neutrale Beobachtende oder als gestaltungswillige Akteurinnen. So entsteht ein empirisches Bild über das Selbstverständnis im Wissenschaftssystem.

3. Qualitative Fallstudien in Co-Design-Prozessen

Begleitforschung in Projekten, in denen Politik, Verwaltung und Wissenschaft gemeinsam gestalten, kann zeigen, wo normative Ansprüche in der Praxis kollidieren – und was daraus gelernt werden kann.

4. Der „Brillen-Check“ in Förderverfahren

Wer einen Antrag stellt, reflektiert explizit: Welche normative Vision liegt dem Vorhaben zugrunde? Welche systemischen Hürden bestehen? Das schafft Klarheit – für Gutachter*innen und Projektbeteiligte gleichermaßen.

5. Kontinuierliches Monitoring und Learning Loops

Reflexionsschleifen während der Projektlaufzeit helfen, Spannungen frühzeitig zu erkennen und Anpassungen vorzunehmen. Wissenschaft wird so beweglicher – ohne an Tiefe zu verlieren.


Fazit: Klarer sehen heißt auch, sich selbst zu hinterfragen

Die Stärke der Wissenschaft liegt nicht darin, endgültige Wahrheiten zu verkünden. Ihre Stärke liegt darin, in Unsicherheiten präzise zu denken – und diese Unsicherheiten transparent zu machen. Doch wer von anderen verlangt, zu handeln, muss sich auch selbst fragen lassen: Auf welcher Grundlage, mit welcher Haltung, mit welchem Ziel?

Wenn Wissenschaft und Politik einander als Kompliz*innen im besten Sinne verstehen – als solche, die gemeinsam aushandeln, was wünschbar und was machbar ist –, dann wird aus normativen Ansprüchen ein realistischer Fortschritt. Nicht über Nacht. Aber vielleicht übermorgen.

Blogadmin, kritischer Zukunftsforscher und Realutopist. Mehr über den Blogansatz unter dem Menüpunkt Philosophie.

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