Great Transformation: Die Zukunft moderner Gesellschaften

Als erste “richtige” inhaltlich für mich relevante Konferenz meines Lebens suchte ich mir die 2. Regionalkonferenz der Deutschen Gesellschaft für Soziologie aus, die vom 23.-27. September in Kombination mit der Abschlusskonferenz der DFG-Kollegforscher_innengruppe durchgeführt wurde. Beziehungsweise ich wurde ausgesucht – denn eine Kommilitonin organisierte ein Gruppenticket und eine Unterkunft und ich brauchte einfach nur ja sagen. Danke dafür, Franzi.

Schon auf der Hinfahrt – für 7,99€ mit dem Blabla-Bus – lernte ich zwei Soziologen kennen, die ebenfalls auf dem Weg zu der Konferenz waren. Etwas für mich eher unübliches, das aber sinnbildlich für die Offenheit der Community oder auch meine inhaltliche Hingezogenheit zu den Themen der Community steht. Da ich aber nicht in zum Netzwerken Jena bin, entziehe ich mich bewusst möglichen Gruppenprozessen und gebe mich stattdessen maximal den Inhalten hin, die bei mir resonieren.

Die Konferenz will einer experimentellen Utopistik ein Forum bieten. Die fundierte Debatte um Gegenwartsdiagnosen und unterschiedliche ge­sell­schaftliche Zukünfte soll exemplarisch nicht nur unter Soziolog_innen, son­dern interdisziplinär und mit Hilfe von Expertise aus der ge­sell­schaft­lichen Praxis geführt werden. Dem Anliegen, Möglichkeiten und Grenzen einer soziologischen Utopistik zu erproben, ihre Sinnhaftigkeit auszuloten, aber auch zu hinterfragen, trägt auch der formal-organisatorische Rahmen der Doppelkonferenz Rechnung.

Aus dem Themenpapier der Konferenz

Montag: Grüße & Inequality

Nach dem Checkin im Hostel und kleinem Jena-Spaziergang fanden wir uns zur Eröffnungsveranstaltung ein. Nach diversen Grußworten ohne großen Mehrwert eröffnete Branko Milanovic mit seiner Keynote “The Transformation of global inequalitiy” die Konferenz. Er arbeitete zahlenbasiert drei longue durees (Geschichtswissenschaftlicher Begriff nach Fernand Braudel, der lange Dauern analysiert und zu dem ich auch schon geschrieben habe – demnächst mehr) der internationalen Ungleichheit heraus:

1. Zu Marx Zeiten gab es eine internationale Armut mit ähnlicher Ungleichheit, die zu Solidarisierung der ArbeiterInnen führen konnte.
2. Die Welt teilt sich in erste, zweite und dritte Welt, wobei insbesondere die erste durch starke Mittelschichten gekennzeichnet ist.
3. Es gibt wieder eine “rising polarisation” mit einem “social cleavage” in Deutschland, den USA etc. – das heißt Ungleichheiten nähern sich wieder an.

Milanovic wirft die Fragen auf, wie wir “Inequality” betrachten: Als Vergleich der Unterschiede im Land oder zwischen den Ländern? Inter-national oder global? Die Perspektiven würden zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen einladen. So gehören beispielsweise 5% der reichsten Deutschen zu dem reichsten 1% der Welt (12% der USA, 15% der Schweiz).

Das war irgendwie spannend. Richtig resonierte es aber erst beim Stehempfang im Anschluss. Meine Kommilitionin und ich traffen zufällig auf eine hochschwangere Studentin, die extra aus Holland anreiste, um sich inspirieren zu lassen und zur Sicherheit von ihrem Vater begleitet wurde, sowie einer Professorin, die sich im intensiven Lunchtalk dazu gesellt hatte. Selten ergab sich mit fremden Menschen spontan ein so intensives Gespräch. Als kurz vor Schluss eine junge Studentin dazu kam, die eben aus Leipzig angekommen war, überfordert mit der Networking-Situation war und uns auf der Suche nach Anschluss nach den Ergebnissen der Keynote fragte, entwickelte sich die zentrale Erkenntnis: Es gibt wieder eine globale Annäherung einer potentiell neuen Arbeiterklasse, die sich in Abgehängtheit solidarisieren könnte – die in der zweiten langen Dauer aufgebauten Privilegien der westlichen Mittelschicht gehen langsam wieder zurück.

Vielleicht ergibt sich daraus die Möglichkeit das Thema der Ungleichheit global zu betrachten?

Dienstag: Galbraith, Muraca, von Hayek, Welzer & von Borries

Die Kontingenz kickt rein. So viele spannende Veranstaltungen – allein Dienstag fanden im Hauptprogramm 33 Veranstaltungen statt. Für mich war klar: Ich nehme fix eine Keynote, eine Session Vormittags und zwei Nachmittags mit. Das Vorgehen war einfach: Programm durchblättern, paar Highlights direkt fixieren, anderen markieren und damit spontan treiben lassen.

Für die um 9 Uhr beginnende Keynote stand ich täglich um kurz nach 7 auf, nahm das lowe Frühstück im Hostel zu mir und fand mich pünktlich im großen Hörsaal ein. Spannend auch die Gespräche der anderen Frühaufsteher zum Wachwerden: “Das was die Politik macht, ist wahrscheinlich das unwirksamste, manipulierbarste, das möglich ist”

Keynote von James K. Galbraith über “Inequality and the end of normal” (1h)

Das war von allen Sessions, die ich komplett besuchte, die, aus der ich am wenigsten mitnahm. Der Sohn von John Kenneth Galbraith, einem der einflussreichsten, keynesianischen Ökonomen des letzten Jahrhunderts, sprach über offensichtliche strukturelle Probleme, die von den meisten Mainstream Ökonomen noch immer geleugnet werden – no limits! – und betonte den daraus hervorgehenden Vertrauensverlust. Außerdem argumentierte er Ungleichheit als logisches Ergebnis der Marktlogik von Angebot und Nachfrage. Beispielhaft führte er die fünf Zonen in den USA wie New York und San Francisco an, wo sehr viel Geld gemacht wird, die den Wohlstand des ganzen Landes sichern.

Galbraith argumentierte außerdem, was wir für die Finanzbranche brauchen: Kleinere Institutionen und kleinere Unternehmen! Dies hätte in den letzten Krisen schon längst umgesetzt werden müssen – die Gesetze dafür existieren bereits.

Mehr Bedeutung hatte die Session für mich, weil sie bereits die Überwindung des inneren Hayeks forderte – und mich damit vielleicht unbewusst bei meiner Wahl der dritten Session des Tages beeinflusste.

Vier Inputs in “Beyond democracy” (2,5h)

Hanna Ketterer über “Demokratie jenseits des Wachstums? Resultate des Kollegs Postwachstumsgesellschaften”

Als Mitarbeitende des Kollegs stellte sie das frisch herausgekommene Buch vor. Ich sammle hier ein paar genannte Stichpunkte, die für mich spannend schienen:

  • Kommt Postwachstum per design oder per disaster?
  • Was passiert eigentlich in Demokratien, wenn Wachstum ausbleibt? AfD als Symptom tiefergehender Probleme wie dem politischen Widerspruch, dass Kapitalakkumulation nach Lessenich Politik untergräbt. Finanzkapitalistische Landnahme nach Dörre schließt sich an: Kapital höhlt Demokratie aus, Entscheidungen zb in Griechenland nur im Sinne des Kapitals möglich.
  • Resonanzkrise (Rosa): Gemeinsinn ist abhanden kommen. Egokampf macht Resonanz unmöglich. Resonanz fähig sein heißt andere hören, antworten und sich selbst verwandeln. Verantwortung für andere geht nur über Resonanzbeziehung zueinander. 
  • Demokratie setzt gelingenden Umgang mit Interessenkonflikten voraus. Interesse, in Abgrenzung zum liberalen Wirtschaftsbegriff, ist als die freie Entfaltung des Einzelinteresses als Bedingung für das Interesse Aller zu sehen.
  • Demokratisches Gemeinwesen soll über die Wirtschaft bestimmen und sagen, was mit deren Leistung und dem Überschuss passieren soll. Verfahren der Demokratie sollen ausgeweitet werden. Eigentumsfrage wird neu gestellt / ausgerichtet.
  • Rosa ist pro physische wechselseitige Begegnungsräume (Anmerkung: er sollte geloste Bürgerrate unterstützen!) Induktive Rahmenplanung: Rätekonzept? Bürger sollen Einflussmöglichkeiten haben regionale Dinge direkt mitzuentscheiden.
  • Negativen Freiheitsbegriff überwinden? Wie könnten andere Subjektivitäten aussehen? Freiheit in natürliche Verhältnisse eingebettet sehen, in denen wir agieren -> Habitustransformation -> In welchen Räumen geschieht das?
  • Ziel von Transformation sollte es sein kapitalistische Landnahme wieder einzunehmen, zb Grundeinkommen oder kostenfreie Räume könnten hier helfen

Jan Sparsam über die Rolle von Zentralbanken und Geldpolitik in der Transformation spätmodernen Wachstumgsgesellschaften

Sparsam hat sich aus soziologischer Perspektive mit der Europäischen Zentralbank (EZB) auseinandergesetzt. Er führt aus: Was ist eigentlich das Problem mit der Geldpolitik? Unternehmen sparen lieber als zu investieren – “Pferde an der vollen Tränke Liquidität saufen nicht”

Das durch die EZB zur Verfügung gestellte Geld fließt nicht in die Real- sondern in die Finanzwirtschaft. Kritiker wie Flaßbeck sehnen sich nach Modus von vor der Finanzkrise zurück. Die EZB reizt ihren Handlungsspielraum maximal aus und unterstützt dabei dennoch nicht ausreichend, dass in der Realwirtschaft genug Geld ankommt.

Sparsam benennt als eigentliches Problem, dass die Illusion technischer Überwindung der Probleme sich zwar langsam auflöst – die fehlerhafte Strategie aus Stabilitätsgründen aber beibehalten wird. Er analysiert, dass die neoklassische Problematik an Altem festzuhalten – statt Aufzuräumen und Neu zu denken – für eine massive Umverteilung nach oben sorgt.

Teil des Problems sei die Schuldenbremse, die dafür sorgt, dass Staaten keine öffentlichen Investitionen durchführen. Der aktuelle Glaubenssatz “gibt es keine Staatsschulden mehr, geht es mit der Wirtschaft bergauf” ist empirisch nicht bewiesen.

Demokratisch ist das alles nicht legitimiert. Dabei bräuchte es diesen Einfluss, um Vermögen hin zu Public Goods umzugestalten – hierfür wird u.a. auf Claus Offes letzte Publikation verwiesen.

Tilman Reitz über “Wachstum in grün oder auf Kosten anderer: die neue Polarisierung des Parteienspektrums”

Bei den Grünen erkennt Reitz den Trend zur postsozialistischen Linken seit den 80ern, bei der Gleichheit nicht mehr im Mittelpunkt steht. Er attestiert eine Verschiebung der Polarisierung. Während es früher stark um Wohlfahrtsstaat vs. Marktfreiheit ging, hat sich hier klar die Markt-Sicht durchgesetzt – die zentralen Vertreter von Grünen und AfD sind heute beide klar pro Wachstum. Heutige Diskurse fokussieren, basierend auf Kitschelts Analyse des Parteienspektrums, verstärkt die Achsen libertär und autoritär.

Demnach könne beispielhaft das Kapital innerhalb der Londoner City nach dem Brexit sowohl von regionalem Egoismus als auch grünem Wachstum angelockt werden. Grünes Wachstum könne zu weiterer Abkoppelung der progressiv-liberalen Verantwortungseliten führen.

Machtverhältnisse gleichen sich an, wenn alle von allen abhängen (nach Elias) – aktuell erleben wir allerdings eher das Gegenteil. Reitz stellt deshalb auch ausdrücklich klar, dass Postwachstum bei aller Wünschbarkeit von Regionalität keine kulturelle Abschottung bedeuten darf. Er schlussfolgert sogar, dass die stattfindende Regionalisierung eine institutionelle Demokratisierung auf globaler Ebene untergräbt – eine Weltregierung kommt so nicht.

Barbara Muraca über “Mehr als Repräsentation: Wirtschaftsdemokratie und anarchistisches Commoning”

Muraca war Teil des Postwachstums-Kollegs und ist Philosophie-Professorin in Oregon. Sie plädiert für einen links-anarchistischen Weg zwischen Design und Desaster. Kleine, nischenhafte, anarchistische Communitys die sich designen und dabei zunächst immer auch – aufgrund der bestehenden System-Logikgen – am Rand des Disasters kratzen. Sie plädiert für Commoning als chaotischen Prozess zur Umkehrung der Substanz des Neoliberalismus.

Dem Demokratieverständnis eines abstrakten Regelsystems zur Verhinderung von Planwirtschaft, individueller Verantwortungsübernahme und Wettbewerb von Von Hayek, dem einflussreichsten Vordenker des Neoliberalismus, setzt Muaraca eine pluriversale Diversität von Ansätzen und eine Diversität von Möglichkeiten in solidarischer Unterstützung entgegen. Wachstum als Kolonialisierung und mentale Infrastruktur würde Selbstorganisation sozialer Prozesse durch Solidarität, Kooperation, Commoning und Konvivalität (ethischen Werten folgende Fröhlichkeit über technische Produktivität) weichen.

Sie fordert soziale Experimente als reale Utopien. Dazu passend nennt Muraca die “Demokratie als eine Lebensform” – in alternative Projekten außerhalb, aber nicht gegen die Staaten. Dabei wäre es nötig, sich vom neoliberal geformtem Glücks-Begriff zu lösen, auch wenn es weh tut.

Statt Antworten zu geben, endet sie, passend zu ihrem Input, mit einer Reihe offener Fragen:

Beschwingt von der engagierten Anarchistin, die mit solch einer Lebensfreude zu Experimenten jenseits der kapitalistischen Verwertungslogik aufrief und damit schönste Möglichkeiten von Ich-Welt-Beziehungen anskizzierte, verließ ich den Raum.

Und lief direkt in den Harald Welzer Fanclub hinein – der große Transformationsmeister und aktuell einflussreichste deutsche Zukunftsforscher wurde umlagert von jungen Männern. Einer nach dem anderen wollte ihm gern seine Idee pitchen oder von seiner Erleuchtung profitieren. Ich empfand das in den Moment als sehr abschreckend – wie die Jungs sich schon fast stramm aufreihten.

Buchpräsentation “Mythos Markt. Mythos Neoklassik. Das Elend das Marktfundamentalismus” (75 min)

Also verließ ich das Gebäude und machte einen längeren Spaziergang zum Postwachstums Kolleg, wo mich in einem spärlich besuchten Raum die positivste Überraschung der Woche erwartete.

Der österreichische Ökonom und Kulturwissenschaftler Walter Ötsch stellte sein 640 Seiten starkes Werk vor, das dabei helfen soll, den inneren Hayek zu überwinden und sich von Marktlogiken zu lösen.

Von Hayek als entscheidender wirtschaftstheoretischer Denker des 20. Jahrhunderts wird darin komplett dekonstruiert. Dafür analysiert Ötsch die Bedeutung von Hayek Theorie auf tiefergehender Ebenen und zeigt, wie absurd das teilweise ist. Der Markt wird als überbewusst, alles wissend konstituiert, während es vom Menschen schon arrogant wäre, über gewisse Vorgänge überhaupt nur nachzudenken – wir können das kumulierte Wissen des Marktes niemals erfassen: Denkt gar nicht erst darüber nach! Daraus entstammt auch das TINA-Prinzip – “there is no alternative”, das durch Margaret Thatchers Politik berühmt wurde. Es darf also keine Alternative zur Marktwirtschaft geben.

Der Mensch als solcher ist nichts mehr Wert, er hat sich den Marktlogiken unterzuordnen. Von Hayek entwickelte einen menschenfeindlichen Ansatz, der, wie Ötsch nachzeichnet, im Laufe des letzten Jahrhunderts immer mehr Einfluss auf sämtliche Lehrbücher nimmt.

Kernaussagen:

  • Der Markt gehört dereguliert, Regulierung und damit Politik ist zu verhindern
  • Die Abwesenheit / Freiheit von Zwang meint eigentlich eine einzige Wahlhandlungsfreiheit – nämlich zwischen dem, was zu konsumieren ist. Das ist eine negative Freiheit im wahrsten Sinne. Ein positiver Freiheitsbegriff würde sich auf Handlungsmöglichkeiten beziehen.
  • Der Moderator der Veranstaltung arbeitet in seiner Replik die Basissätze über den Marktfundamentalismus aus dem Buch auf. Der Markt als Hegemon in Sprache, Denken und Anspruch ist nach Auswertung der Schrift von von Hayek ahistorisch, kontextlos, machtfrei und ohne Interessenskonflikte. Märkte sind effizient, Hort der Freiheit und Norm für Politik, die sich unterzuordnen hat. Sie sind gesellschaftlich-totalitäre Utopie und die einzig wahre wirtschaftswissenschaftliche Lehre.

Auf Basis dieses Glaubens initiierte Von Hayek die Mont Pelerin Society, die heute das einflussreichste neoliberale Netzwerk der Welt darstellt. Damit beeinflusste er den vielleicht einflussreichsten Wirtschaftswissenschaftler des letzten Jahrhunderts Milton Friedman ebenso wie Ordoliberale wie Walter Eucken, die als Vordenker der sozialen Marktwirtschaft gelten. Das daraus hervorgegangene Atlas Network spielt heute eine entscheidende Rolle bei der Klimawandlungsleugnung – auf dessen Basis Gauland gedenkt die AfD noch erfolgreicher zu machen.

Ötsch endet aber hoffnungsvoll, wenn er betont, dass der Ausbruch eines positiven Zukunftsdiskurs das Geschäft der Rechtspopulisten beendet: “Dafür sind sie kognitiv nicht ausgestattet.”

In dieser Session wurden mir gewisse Zusammenhänge bzw. neoliberale Logiken nochmals deutlich vor Augen geführt. Das Buch wirkt auf mich wie ein entscheidender Baustein substanzieller Kapitalismuskritik jenseits der Verschwörungtheorie. Lasst uns nicht an abstrakte Märkte glauben, sondern an Menschen und Möglichkeiten.

Podiumsdiskussion bei Eröffnung “Übungsraum für Kritik” (1,5h)

Anlässlich des durch von Borries konzipierten Übungsraums für Kritik, das von einem Buch begleitet wurde, versammelte sich Dienstagabend ein prominentes Podium, das einen bis auf den letzten Platz vollen Saal bespaßen sollte. Die wesentlichen Aussagen der drei ProtagonistInnen kurz zusammengefasst:

Von Borries stellt erstmal fest, dass es nicht “Kritik machen”, sondern “Kritik üben” heißt und plädiert für eine Offenheit für eigene Fehlerhaftigkeit. Die Kunst wäre nach von Borries, sich angreifbar zu machen. Statt sich mit moralischer Kritik auf die sichere Seite zu stellen, würde es helfen sich selbst zu hinterfragen – sich also kritisierbar zu machen. Das utopische Moment von Kritik ist – als Synthese – Einsicht. Bei bestimmten Punkten stößt theoretische Kritik an ihre Grenzen und Offenheit ist eher durch neue, sinnlich erfahrbare Praxisformen herstellbar – daher der Übungsraum.

Laut Jaegy bedarf Kritik Begründung, die wir jedoch nicht gut finden / gut belegt finden müssen. Kritik kann nur da geübt werden, wo Verhältnisse menschengemacht sind, die verantwortet werden können und die man auch anders machen könnte. Wie es anders gemacht werden sollte – darüber wäre zu streiten. Dabei ist Empörung der Anfang von Kritik – Vernunft ist aber nicht Teil von Emotionen. Reflexionsschlaufen sorgen dafür, Vernunft und Emotionen zusammenzubringen. Die Übung der Kritik besteht darin, sich anzugucken, was unsere “Krisen” überhaupt sind und auf welchen systematischen Blockaden sie basieren. 

Jaegy plädiert dafür, den Begriff Fortschritt nicht einfach so aus der Gesellschaftsanalyse zu vertreiben – trotz Bewusstsein um die Probleme mit dem Begriff. Auf sozialen Wandel zum besseren können wir laut ihr nicht verzichten. Fortschritt sieht sie entsprechend als Vermeidung von Regression. 

Sie hat Bauchschmerzen bei dem Wunsch (zb von Welzer) nach Utopien, die angeblich aus dem nichts kommen sollen. Laut Jaegy schälen sich Utopien auf dem Weg heraus (Anmerkung: Das wurde noch nie von seriösen Utopisten bestritten) – und brauchen daher nicht identifiziert oder (vor-)formuliert werden. Jaegy fragt sich, woran es liegt, dass sich naheliegende Themen wie die Mobilität nicht “fortschrittlich” thematisieren lassen…

Welzer beobachtet die Entstehung einer kritische Generation, wobei zu viel Kritik am Falschen geübt wird – er spricht von “routinierter Dauererregtheit”. Man übersieht vor lauter Kritik was historisch-gesellschaftlich-staatlicher Raum für Kritik ist, wobei ihm Hinweise auf zu sichernde Rahmenbedingungen fehlen. Er lobt Greta Thunbergs emotionales “Das werden wir euch nie verzeihen”, weil sie auch die entsprechenden W-Fragen dazu beantworten würde. Dafür kritisiert er die Kritik am Umgang mit dem Blackfacing von Kanadas Premier Trudeau, denn das normative Gefüge war vor 20 Jahren noch anders gesetzt. Moralische Reinheitsvorstellung ohne Kontext ist Welzer nicht geheuer / suspekt.  

Über den Stand der Kritik sagt Welzer, dass wir zwar alles wissen, aber nichts tun. Ihm fehlen die Zukunftsbilder für zentrale Themen wie Nachhaltigkeit. Über Zukunft wird nur unter dem Dogma der 24/7 Konsumaufforderung diskutiert und wir haben nichts Ernsthaftes entgegenzusetzen. Fortschritt wohin? Für wen?

Konkrete Utopien können umsetzbare Pfadwechsel initiieren – zum Beispiel nutzt München aktuell 12,6% seiner Fläche für parkende Autos. Würde hier eine autofreie Stadt erlebbar gemacht werden, könnte das abstrahlen. 

Zu behaupten wir hätten keine Zeit hält Welzer für fatalistischen Quatsch. Statt Dystopien auf Basis der 2 Grad Erwärmung zu zeichnen, gilt es ganz klar zu definieren, welche Emissionen wir bis Zeitpunkt x erreichen wollen und mit welchen Maßnahmen (siehe München) das anzugehen wäre. 

Dreierlei Dinge blieben mir von dieser Session hängen:
1. Podien sind ne schwierige Sache. Wie soll in kürzester Zeit mehr entstehen, als dass drei intelligente Menschen ihre Standpunkte kund tun?
2. Von Borries sprach am wenigsten, erzählte keine Anekdoten und punktete bei mir durch klare, scheinbar durchdachte, dabei aber offene Aussagen und schien dabei seinen Punkt ernst zu nehmen, sich auch irren zu können.
3. Jaegys Polarisierung gegen Utopien bzw. positive Zukunftsbilder stieß mir sauer auf. Insbesondere weil die Kritik eben nicht, wie vorher von ihr eingeführt, wirklich begründet wurde. Die These, dass gute Dinge aus dem Machen entstehen, heißt für mich noch lange nicht, dass es deshalb keine sich reflexiv wandelnden Vorstellungen davon geben sollte, was Gut sein könnte. Beides hängt für mich dualistisch-kreisförmig – also in wechselseitiger Verbundenheit – zusammen und stellt keinesfalls einen Gegensatz dar.

Mittwoch: Abstrakte Räume, politische Theorie und Postwachstums-Provokationen

Da die von mir ausgewählte Keynote zur Zukunft des Kapitalismus entfiel, startete ich gemütlich in den Tag. Am Stand des Konzeptwerk neue Ökonomie lernte ich zufällig einen Menschen aus dem Nachhaltigkeitsbereich von Einhorn Kondome kennen – nach nem kurzen, guten Talk haben wir gleich mal spontan Nummern getauscht. Das ist die Grundstimmung hier, mit der ich sonst nicht unbedingt durchs Leben schwebe.

Fünf Inputs in “Die Refiguration der Räume, Transformation, Konflikt und die Zukunft moderner Gesellschaften” (2,5h)

Was sind eigentlich Räume? Etwas architektonisch-geografisches? Etwas Soziales im Sinne von Raum für etwas haben? Und wer kann sie wie für sich reklamieren?

Anbei nur ein paar Skizzen aus der Session, die mich insgesamt in ihrer Diversität Räume zu denken etwas verwirrt zurückgelassen hat:

  1. Dörre: Die Lausitz ist ein gemachter Raum, in der eine beidseitige Wagenburgmentalität herrscht. Denn Befürworter und Gegner der Braunkohle behaupten beide, dass niemand auf sie hört – miteinander reden kommt auch nicht in Frage.
    Beispiel Dortmund: Gesundheitswirtschaft ist der größte Wirtschaftszweig, kommt in der öffentlichen Wahrnehmung jedoch kaum vor.
  2. Löw & Knoblauch: Refiguration als Denkrichtung, die Modelle entwickelt, die gleichzeitig offen gehalten werden für verschiedene Disziplinen – für Re-Figuration. Refiguration soll Spannung zwischen Gegensätzen aufwerfen und dabei den Versuch wagen Mehreres gleichzeitig zu denken (Rhizom nach Deleuze wurde als Stichwort genannt).
  3. Steets: Nacherzähltes Beispiel des “coolen, evangelicalen Waco” zeigt, wie Raum rekonfiguriert wurde – von Nichts zu etwas diffusem, nicht linear angestrebtem Neuen.
  4. Boateca: Räume werden gemacht. Der Raum Europa wird primär als Westeuropa beschrieben, ohne Ost und Süd. Ohne Kolonialismus und Imperialismus. Was würde eine Creolizierung, wenn also nicht-europäische, nicht-westliche und nicht-weiße Erfahrung in Geschichtsschreibung mit eingehen würde, mit dem Konstrukt Europa machen? Immerhin gibt es weltweit noch europäische “Kolonien” – von der Karibik aus gedacht ist Frankreich kein Nationalstaat, sondern Kolonialmacht.
  5. Weidenhaus: Die Welt hat sich von einem gekerbten in einen glatten Raum verwandelt. Gekerbt steht für Grenzen, Nationalstaaten und klar gekennzeichnete Unterschiedlichkeit. Nach Beck zerfällt diese räumliche Struktur der Nationalstaaten, konstituiert durch ein Potential des Risikos (wie dem Terrorismus, welcher überall vermutet werden kann). Ein homogenisierter Raum unterscheidet sich nur mehr durch Wahrscheinlichkeiten – danach wird Prävention ausgerichtet. Ströme bilden die rhizomatischen Knotenpunkte. Räume haben sich für Kapital – die Antizipation möglichen Investments – attraktiv zu machen, welches überall auftauchen kann und für Wachstum entscheidend ist.

Vier Inputs für “Modelle Radikaler Demokratie” (2,5h)

Wow! Wo bin ich denn hier gelandet? Die politiktheoretische Veranstaltung zelebrierte zu Beginn seine eigene Sprache, die für mich erstmal schwer zu greifen war. In Input 1 von Miriam ging es um Institutionen, deren Definitionen und Defizite. Zu “der Politik” gehören demnach auch Institutionen. Unterschieden werden kann zwischen

  1. Sozialen Institutionen, die gekennzeichnet sind durch relativ auf Dauer gestellte, durch Internalisierung verfestigte Verhaltensmuster und Sinnorientierungen.
  2. Politischen Institutionen als Regelsystem der Herstellung und Durchführung allgemeinverbindlicher Entscheidungen. Verengt: Staatsorgane und formale Organisationen der politischen Handlungsorganisation (Parteien, Verbände etc).

Die Erkenntnis des ersten Inputs, der sich viel um Chantal Mouffe drehte, war die Frage, wann sich soziale Institutionen als hegemoniale Formationen zu politischen Institutionen transformieren.

Wolfesberger berichte im Anschluss von praktischer Gestaltung von solidarischer Macht in Mexico. Er nennt Cheran als mit am besten erforschtes Beispiel für radikale Demokratie. Die Gemeinde ist seit 2011 autonom regiert. Als Reaktion auf Gewalt und Unsicherheit wurden dort Formen der deliberativen Demokratie gefunden, die sich über einen räumlichen Zugang konstituieren. 1. Fogatas (Lagerfeuer) für Alle 2. Aufteilung in vier Barrios (Viertel) 3. Je drei consejo mayor pro barrios für den großen Rat. Diese Position ist unvergütet und als Pflicht an der Gemeinschaft zu verstehen. In Cheran gibt es kein Landeigentum.

Die Gemeinde Tlahuitoltepec war immer schon selbst regiert und zeichnet sich durch ein Spannungsverhältnis zu der runderherum funktionierenden, regierenden Ordnung aus. Rechtlich ist es in Mexico so, dass autonomes regieren auf regionaler Ebene legal ist, aber nicht überregional werden darf. Daraus lässt sich die Frage ableiten, ob es deshalb heißen muss: “Hegemonieprojekt liberale Demokratie vs. Hegemonieprojekte der lokalen Ordnungen” oder ob und wie beide nebeneinander existieren können. Bei der Frage geht es vor allem um Autonomierechte.  

Harmonisiert der Nationalstaat im Sinne des Neoliberalismus und verhindert damit genau die Antagonismen, die wir in der Demokratie eigentlich brauchen?

“Politische Parteien spalten nur – sie schaffen Konflikte, die in einem kollektivorientierten Konsenssystem gar nicht notwendig wären. Warum wird nicht gelost?”

Dr. Philipp Wolfesberger

Aus dem Publikum wurde die Frage aufgeworfen, was das radikale an den Beispielen ist. Wolfesberger:
1. Rückt das Kollektiv in den Vordergrund, sie ist die Autorität als Pflicht und Ausdruck sozialer Macht, wodurch die Demokratisierung der Demokratie vorangebracht wird.
2. Wandelt sich der Eigentumgsbegriff hin zu Privateigentum im Dienste der Gemeinschaft.

Mackenroth berichtet von einem Praxisbeispiel aus Deutschland. Ihre Erkenntnis: Gesellschaftliche Verhältnisse sind demokratisch gestaltbar – deswegen benötigt es mehr radikale Demokratie, um negativen Einfluss durch Herrschaft zurückzudrängen. Demokratie als Versuchsraum benötigt Imperfektion, um sich selbst in Frage zu stellen. Wie funktioniert Wissensproduktion als Basis von Austausch in radikaldemokratischen Aneignungen von Stadt?

Linpinsel führt ein in das Denken des politischen Philosophien Ranciere, der argumentiert, dass sich revolutionäre Theorie ohne Praxis immer in ihr Gegenteil kehrt und diese Dichotomie zu unterlaufen wäre. Er plädiert für eine Verschiebung der Wahrnehmungsweise hin zu einer Etablierung des Sinnlichen als wichtige Kategorie. Politik als Poetik des Wissens. Wenn Individuen die Poetik abgesprochen wird, sind sie prinzipiell unpolitisch. Das darf nicht sein! 

Bildung funktioniert aktuell so, dass behauptet wird, Menschen können sich durch Wissen emanzipieren, man müsse sie daher nur vom Unwissen zum Wissen bringen.

Wenn wir Bildung über Gleichheit denken wollen: Alle Menschen wissen schon immer schon irgendwas (sei es eine sinnliche Erfahrung). Von diesem Irgendwas lässt sich immer auch weiter lernen. Und dafür braucht es keinen Lehrmeister.

Linpinsel interpretiert Ranciere

Podiumsdiskussion zu “Postwachstumsgesellschaften – Design, Desaster, Deliberation (2h)”

Für Biesecker stellt Wachstum das Desaster dar, da es Lebensgrundlagen von Natur und Menschheit zerstört. Auch schätzt sie das ausgeprägte kapitalistische Krisenbewältigungspotential als äußerst kritisch ein, da damit nach der Krise alles noch schlimmer wäre. Ihre Vision beinhaltet einen Fokus auf Kooperation, das gute Leben, Vorsorge, in die Zukunft blicken und die Konsequenzen mitdenken – geprägt von Akteuren, die Neues ausprobieren. Gerade deshalb brauche es eine Vorstellung, wie Zukunft sein kann, um zu zeigen, in welche Richtung wir gehen können. In Nischen wird neu designed. Das brauchen wir – und nicht den großen Wurf von oben.

Muraca sieht utopische Transformationsmöglichkeiten schon jetzt als möglich: Spalten der Gegenwart öffnen sich, um Alternativen fluide durchzulassen. Degrowth steht zwischen Design und Desaster – wobei Design für sie eine Top Down Intervention im Geiste wirtschaftlicher Management Instrumente darstellt. 

Utopische Experimente sind nach Muraca nicht skalierbar, erkennen aber, dass wir unser Glück nicht länger auf Kosten anderer auf der Welt aufbauen können. Dabei geht es um Verschiebungen und nicht um Umwälzungen. Diese Verschiebungen schleppen auch Altes mit – “Verschiebung ist für mich ein revolutionärer Begriff, das ist ein Kampfbegriff”. Einer radikalen Veränderung, nach der alles wieder gut ist, erteilt sie damit eine Absage. Es ginge vielmehr darum, jetzt Möglichkeiten für Emanzipation und Mitbestimmung zu schaffen und eine Deutungsverschiebung zu erreichen: Ja, es gibt Alternativen! Sie zu ergründen, eröffnet neues Wissen. 

Sie sagt: “Als Philosophin darf ich sogar normativ sein, ohne schlechtes Gewissen”

Dem guten Leben für Alle erteilt sie eine Absage. Dieses wirke zu harmonisierend – was den Einen nützt, schadet den Anderen.

Blühdorn gefällt sich in seiner Rolle als Provokateur – zwischen politischer Privatperson und soziologischem Wissenschaftler. Als solcher sieht er beispielsweise eine hohe Abhängigkeit von Wachstum und Emanzipation oder beschreibt soziologische Wissenschaft: “Multiperspektivität ist Aufgabe der Soziologie mit Offenlegung der Annahmen – das lässt sich jedoch auch wieder kaputt machen und anders neu konstruieren.”
Weitere (steile Thesen):

  • Er beschreibt Krisen als subjektive Wahrnehmungen, die fragen welche Normen von wem verletzt werden – sie sind also nicht absolut festlegbar und hängen von den Maßstäben ab. Krisen zu bewältigen heißt normalerweise sie zu lösen, wozu wir permanent aufgefordert werden. Er betont, dass “bewältigen” auch im Sinne von “klarkommen mit” zu verstehen ist. Wie kommen wir klar mit nachhaltiger Nichtnachhaltigkeit?
  • Er benennt E-Mobilität als Form der Bewältigung, die das Problem verschiebt und das alte Narrativ technischer Lösungen bedient ohne das Wachstums-Paradigma in Frage zu stellen. Verschiedene Kollaborationen tragen gemeinschaftlich und oft gegeneinander die nicht Nachhaltigkeit. Sie nähren Hoffnung, ermöglichen damit die Verlängerung des nicht nachhaltigen. Blühdorn nennt das “die postökologische Verteidigungstendenz” – Desaster für wen? Wer nimmt das wahr? 
  • Eine designte Transformation als kontrollierter Übergang kann gar nicht stattfinden – denn nach Luhmann liegt bei all den miteinander interagierenden komplexen Systemen Steuerungsunfähigkeit vor. Wer soll die Transformation designen? 
  • Beruhigungsnarrative a la Welzer sind für unser Anliegen kontraproduktiv – auch eine post deliberative Gesellschaft kann demokratisch sein. Es wäre dann eben nur eine entdemokratisierte Demokratie, der Demokratiebegriff verschiebt sich – siehe Brexit, Trump, Russland. Positive Narrative in kritischer Tradition gibt es schon lange. Wieso kommen wir eigentlich trotzdem nicht weiter? Degrowth könne er als Soziologe demnach nur als “Weniger ist weniger” analysieren. Das kann ja trotzdem ein gutes Leben sein. 
  • Fridays for Future ist seiner Ansicht nach reaktionär mit entsprechender Staatsgläubigkeit. Natürlich ist das eine starke Initiative – das waren die 68er aber auch und die sind heute aus soziologische Perspektive zur Hochfinanz der Gegenwart geworden, die ihr Kapitel produktiv gemacht sehen wollen. Ähnliche Dynamiken können / werden wieder wirken.
  • Nachfrage aus dem Publikum: Ist die Spaltung zwischen deskriptiv und normativ nicht problematisch? Ja, es geht darum durch die Unterschiedlichkeit der Dinge sichtbar zu machen. Das gute Leben ist nicht mehrheitsfähig – es wird vorgegeben für alle zu kämpfen, um eigene Pfründe zu sichern.

Die Podiumsdiskussion war definitiv eine der besseren – was ua stark an Blühdorn lag, der bewusst provozierte, um Schwung in die Kiste zu bringen. Auf dem Heimweg hatte ich eine intensive Eigenwahrnehmung der Konferenz als eine Art Meditation für mich – und zwar über gesammeltes Wissen im außen und innen, welches immer mehr Domino Steine ins kippen bringt. Die Verknüpfung von Synapsen liefert Erkenntnisse – eine ausgeprägte Form der Schönheit.

Donnerstag: Im Zeichen der Fantasie

Da die Keynote des umstrittenen Publizisten Morozov leider ausfiel, startete ich mit der Keynote “Growth Models in Europe: Which Futures?” von Baccaro in den Tag. Das Ding entpuppte sich als klassische, zahlenlastig-unkritische VWL-Vorlesung, an dessen Ende für grünes Wachstum als Chance appelliert wird. Nothing more to say.

Gallery Walk zu >Future Love< – Liebe und Paarbeziehungen in Postwachstumsgesellschaften (2,5h)

Der Gallery Walk stellte methodisch eine erfreuliche Abwechslung zu dem vorangegangenen “Frontalunterricht” dar. Nach jeweils vier kurzen Inputs (zu Polyamorie, Mehrelternfamilien, Co-Parenting und freundschaftszentriertem Leben) fanden wir uns jeweils in Gruppen in einer Ecke des Raums. Dort konnte nun für eine festgelegte Zeit das jeweilige Thema besprochen werden. Nach Ablauf der Zeit wechselte die Ecke – wobei niemand in seiner Gruppe bleiben musste – und bekam von der Moderatorin kurz den Stand ihrer Ecke vorgestellt, man diskutierte und wechselte wieder eins weiter.

Das ist als Methode hoch interessant und lebendig. Jedoch hatte “meine” Gruppe gewissermaßen ein Machtproblem, den es gab einen Typen der extrem viel beisteuern wollte – auch wenn er zugegebenermaßen viel wusste. Dadurch dominierte er die Diskurse. Mir fiel dann hinterher auf, dass ich auch einfach die Gruppe hätte wechseln können, wie es einige andere taten. Hallo Freiheit!

Im folgenden ein paar Notizen und das verbildlichte Endergebnis zu den vier Themen:

Polyamorie basiert auf einer Wertebasis, ähnlich romantischen Paarbeziehungen. Genannt wurden beispielsweise Konsens, Transparenz, Ehrlichkeit und das Anstreben einer langfristigen Beziehung. Darüber sollte nicht gestritten werden. Diese Werte sind kein radikaler Wandel (abseits des monogamen), sondern eine Rückbesinnung auf eine Wertebasis. Eine Utopie der Dauerhaftigkeit und Verbindlichkeit. Das Vorgaukeln die/der PartnerIn wäre die einzige Liebe führt zwangsläufig zu Abbruch.

Was ist Treue? Verbindlichkeit!

Wie steht es um Freundschaft als Liebe der Zukunft? Freundschaft wird als Refugium vor den Zwängen des Marktes (in Abgrenzung zu Tinder etc) beschrieben – zwischen Entspannung und Verbindlichkeit . Nach Giddens ist Freundschaft die Demokratisierung des romantischen Ideals – sie ist kündbar, hat stärkeren Umweltbezug und keine Geschlechterrollen. Freundschaft endet empirisch zumeist durch Zeitmangel (Sachzwang).

Liebe als Narrativ für Beziehungskonstitution!

Zitat einer Inputgeberin

Für mich lässt sich Eifersucht als Schnittstelle zwischen Liebe und Freundschaft ausmachen – und zwar nicht auf das, was die anderen haben, sondern auf das, was ich nicht habe. Es gibt nunmal anzustrebende Beziehungsqualität, die durch meine Persönlichkeitsstruktur deutlich schwerer zu heben ist, als bei anderen Charakteren – und hoffentlich auch umgekehrt. Egal ob meine Freundin oder Freunde – wenn sie die Beziehung mit anderen genießen, kann ich das als Bedrohung wahrnehmen. Oder daran arbeiten es als das zu sehen, was es auch sein kann: Eine Bereicherung.

Writers Room “Unleashing fantasy for transformation: Mit Ursula Le Guin zur Kunst, Gesellschaften zu entwerfen”

Nachdem die Projektvorstellung des Konzeptwerks Neue Ökonomie, die gerade diverse Zukunftswerkstätten zur Gestaltung realer Utopien, ausfiel, passierten einige Dinge:

  1. Franzi, mit der ich bisher den Tag verbrachte, fuhr spontan schon früher nach Hause.
  2. Ich überwand die Kontingenz durch meine strukturierte Vorauswahl und traf spontan die Entscheidung für diese Session.
  3. Andere ZukunftsforscherInnen schlossen sich spontan an, um mit ihren Möglichkeiten umzugehen.

Die Session zum Werk der Autorin Ursula Le Guin war brilliant vorbereitet. Die sechs VeranstalterInnen lassen zunächst abwechselnd Originaltexte der feministischen Utopistin und kommentierten diese. Einige Aspekte daraus:

  • Science fictioning als Methode, um Denkräume zu öffnen
  • Le Guins Anarchismus sei eng mit dem Kropotkins verwandt
  • “Zwang ist das am wenigsten wirksamste Mittel zur Durchsetzung von Ordnung”
  • Emanzipatorische Möglichkeitsfenster durch Sprache, die zb nicht mehr Besitz artikulieren
  • Technik muss nicht klein und teuer sein, unsichtbar und unreparierbar. Sie könnte offen, groß und damit präsent sein, an Funktionalität und an Selbstbegrenzung orientiert. Technik könnte sich als kollegiales Werkzeug verstehen.
  • Wirtschaft hat eine Funktion: Menschen zu versorgen
  • Yin Utopie als klarer Perspektivwechsel in Verbindung, nicht in Konkurrenz zum Yang.
  • An wen richten sich Utopien und wie werden sie wirksam?
    An bereits überzeugte, die nur mehr konkretere Bilder erhalten
    An noch nicht überzeugte? Und wie können sie überzeugt werden?
  • Wie fühlt sich die Welt an, die das, was ich kritisiere, umkehre?

Nach dem uns, in einem großen Kreis sitzend, mit diesen vielen Gedanken der Kopf geöffnet wurde, hatten wir Zeit eine eigene kleine Utopie aufzuschreiben. Diese wurden anschließend im Raum ausgehangen, gelesen und im Stillen weitergedacht. Das verband uns als Gruppe, ohne, dass wir uns verbal kennenlernten. Fantastisch!

Buchvorstellung: “Caring Masculinitys? Männlichkeiten in der kapitalistischen Wachstumsgesellschaft” (2h)

Mit einem anderen Zukunftsforscher begab ich mich im Anschluss zu dieser Session – die er sich zwar ausgesucht hatte, aber nach kurzer Zeit wieder verlies. Und ich verstand genau, warum.

Zwar wurden spannende Fragen aufgeworfen, wie zum Beispiel:

Unter welchen Bedingungen entsteht caring masculinity / habitueller Wandel? Es braucht Risse im Status Quo, um zu überlegen etwas anders zu machen. Männlichkeit und Erwerbsarbeit sind eng aneinander gekoppelt – wenn sich das eine verändert, verändert sich auch das andere – wenn wir über hegemoniale Männlichkeit sprechen, wird noch zu wenig über Wachstum gesprochen.

(…)

Veränderung entsteht oft als nichtintendierte Folge verschiedener Praxen, statt stark normativer Planung.

Gedanken aus der Buchvorstellung

Die Session war allerdings insgesamt so stark kopflastig und langatmig, dass sie nach dem langen Tag, der langen Woche und den fantastischen vorangegangenen Sessions nicht gerade resonierte. So verlies ich die Session nach einer Stunde, weil ich einfach nicht mehr folgen konnte (und wollte) – trotz höchst relevanter Inhalte.

Freitag: Alles Rosa

Der letzte Tag. Die Energie ist nach vier Nächten im Sechsbett-Zimmer eines Hostels und der intensiven Woche langsam etwas niedrig. Die Motivation aber voll da.

Keynote “Die Zukunft der US-amerikanischen Linken” (1h)

Punkt 9 Uhr saß ich also wieder in der Keynote – diesmal von Philipp Gorski – die mich wieder nicht richtig packen konnte. Liegt es an der Uhrzeit?

Ein paar Punkte notierte ich mir allerdings doch:

  • In den USA trifft stehen sich tief rechtes Narrativ und linkes Gegennarrativ gegenüber. Das Rechte fabuliert vom guten Volk, der korrupten Elite, den unverdienten Fremde und dem politischen Heilsbringer. Das Linke geht vom arbeitenden Volk, der ausbeuterischen Elite und der politischen Bewegung (siehe Sanders) aus.
  • Was vor wenigen Jahren noch undenkbar war: Immer mehr Amerikaner identifizieren sich als Sozialisten.
  • Gorskis Fazit: Pessimistisch, aber hoffnungsvoll.
    Warum pessimistisch? Die amerikanische Linke ist zu zersplittert, um einen Konsens hinzubekommen.
    Warum hoffnungsvoll? Paradoxerweise wegen Trump, der Gegenmobilisierung hervorbrachte, während die Rechten sich spalten

Links vor mir saß übrigens der Star des Tages, Hartmut Rosa, der wenige Stunden später in dem Saal die Konferenz beenden sollte. Er spielte wie du und ich die meiste Zeit an seinem Handy, chattete und las empörenderweise die meiste Zeit Spiegel Online – die Bild Zeitung für Intellektuelle – was allerdings ein anderes Thema wäre.

Input und Diskussion “Braucht unsere Herangehensweise an sozial-ökologische Transformation eine Transformation?” (2,5h)

Nachdem “Die Rolle sozialer Innovationen für eine sozial-ökologische Transformation” leider ausfiel, wie ich erst am entsprechenden Saal angekommen, erfuhr, entschied ich mich spontan für diese Veranstaltung. Überrascht betrat ich ca. 15 Minuten vor einen völlig leeren Raum, in dem mich einer der oben genannten Welzer-Fanboys freundlich begrüßte.

Wie so oft täuschte mein erster Eindruck – glücklicherweise lasse ich meine zukünftige Wahrnehmung heute nur mehr selten von diesem determinieren. Denn was Florian Koch hier über seine Masterarbeit zu sagen hatte war nicht nur inhaltlich äußerst spannend – auch der Raum füllte sich bis auf den letzten Platz und auch Rosa, auf dessen Resonanz-Theorie Koch sich bezog, gab sich die Ehre.

Warum ist Transformation nötig? Strukturelle Problemanalyse

  1. Dynamisch, expansive Grundorientierung, die sich reproduziert
  2. Allgegenwärtiges Wettbewerbsprinzip verleitet uns dazu besser als andere sein zu wollen
  3. Verdinglichende Selbst- und Weltbeziehungen führt dazu Subjekte zu Objekte zu machen und sie auf Nutzbarkeit zu reduzieren -> Welt-Reichweiten-Vergrößerung

In den inneren Kern der kapitalistischen Gesellschaft werden nur Logiken zb technischer Natur hereingelassen, die in neue Wachstumsmärkte gewandelt werden können.

Warum ist Transformation bisher gescheitert?

Stahlhartes Gehäuse: Versuche den inneren Kern zu transformieren benötigt Jahrzehnte. Aber vielleicht liegt es auch an dem Ansätzen kulturellen Wandels, der problematisch ist:
– Projekte unterliegen quantitativer Messung
– Es zählt nur Zielerreichung & Wirkung
– lineare Effekte werden angestrebt

Was richtig und wichtig ist, wird von einer Wissenschaft geprägt, die nicht nachhaltig ist – ökonomisch und naturwissenschaftlich geprägte Disziplinen dominieren. Deren Historie und Ausbildung sorgen dafür, dass gewisse Aspekte hervorgehoben werden, während andere unter den Tisch fallen. So entsteht ein Fokus auf visionäre Konzepte, wie die ökologische Makroökonomie, an deren Funktionsweise als Modell lange und intensiv gefeilt wird.

Es liegt zu wenig Fokus darauf, wie Transformationskonzepte zugänglich, erstrebenswert und durchhaltbar für uns Menschen gemacht werden!

Hauptproblem bei aktuellen Transformationsansätzen laut Koch

Beispiel: Suffizienz-Konzept
Suffizienz stellt die Frage: Wieviel ist genug? Die Antwort: “Von nichts zu viel” – denn wenn es zu viel wird, wird es zur Last. Eskalation von Produktion und Konsum hat für zu viel von allem geführt. Suffizienz setzt deshalb auf genug haben – der ökonomisch-naturwissenschaftliche Ansatz ist deshalb in gewisser Weise radikal.

Aber der Fokus der Suffizienz liegt (bisher) auf dem “Müssen” – wir müssen uns verändern. Es wird nicht das Wollen und das Wünschenswerte betont. Laut Koch entsteht dadurch eine Haltung von: “Wir verhalten uns nachhaltig für andere, anstatt für uns selbst und unserem Bestreben nach gelingendem Leben.” Das Grundmotiv der Haltung ist der Wunsch nach Weltverbesserung.

Transformation wird so schnell als Verzicht / Aufopferung empfunden. Das ist nicht durchhaltbar. Der Prozess der Einführung von Suffizienz wurde nicht richtig aufgearbeitet. Die Perspektive auf “kurz vor 12” ist rational richtig, aber Menschen sind nicht so rational in solchen Veränderungsprozessen. Koch weißt auf den blinden Fleck in der Nachhaltigkeitsforschung hinsichtlich Emotionen hin.

Der Mensch hat emotionale, mental-soziale Eigenzeiten und Transformationsprozesse fordern diese heraus. Was macht das mit uns? These von Koch: Der Suffizienz-Ansatz fördert Ängste durch negativ gezeichnete Zukunftsbilder. Es entsteht eine Negativspirale, in der man nie genug ist: “Fleischesser-> Vegetarier-> Veganer”

Die Konsumgewohnheiten aufgeben wird als Problem empfunden. Die Auseinandersetzung damit kann zu Entfremdung und Abspaltung führen. Es besteht das Risiko, seinen Platz in der modernen Welt zu verlieren, denn soziale Beziehungen leiden unter der Infragestellung der gängigen Werte der Mitmenschen. Permanente Spannungen und Reibungen führen zu gefühlten und realem Entfernen. Dabei brauchen wir gerade in diesen Veränderungsprozessen Rückhalt.

Darauf basiert unser Kampf: “Wir müssen was tun und es muss messbar sein und wir müssen Ziele erreichen und Wirkung nachweisen”

So entsteht eine negative Kampfes- und Aggressionshaltung mit dem Mantra: Die Welt ist schlecht, ich bin ein Teil von ihr, alles muss sich ändern. Dabei bleibt man schuldiges Subjekt, das unzufrieden mit den Mitmenschen ist. Der Appell an sich selbst und andere, wird auch deshalb zum Problem, weil moralische Appelle ein großes Problem in unserer Gesellschaft ist.

Daraus entstehen ua diese Probleme:

  1. Fokus auf Materielles: Denn nur Vorzeigbares ist zugänglich
  2. Rastloser Modus im Prozess der Zielerreichung – Graben zwischen Appell und Ablehnung
  3. Wir müssen Sog nachgehen und im Sinne des Bestehenden Argumentieren (Zahlen, Daten, Fakten)

Wie könnte Transformation gelingen?

Dafür wäre es laut Koch nötig, in den Kern des Kapitalismus vorzudringen, ohne uns an ihn anzupassen. Die Transformation des inneren Kerns sollte für uns Menschen zugänglich, erstrebenswert und durchhaltbar werden.

Deshalb plädiert er dafür, Suffizienz mit der Resonanz nach Rosa zusammen zu denken. Die Kernthese der Resonanz: Die Qualität der Beziehung zu unserer Welt ist zentral für ein gelingendes Leben. Resonanz basiert auf mindestens vier Elementen:
1. Sich berühren lassen
2. Darauf antworten (Selbstwirksamkeit)
3. Veränderung
4. Unverfügbarkeit (Resonanz ist nicht kontrolliert herstellbar)

Langfristig aufgebaute Verbindungen, die zunächst wenig sichtbarere Blüte zeigen, machen auf einmal Sinn – sie schlagen (rhizomatische) Wurzeln.

Diskussion:

  • Kann Objektbegehren wie zb bei SUVs resonant sein?
  • Der Fokus der Fragestellung zielt stark auf das Individuum – aber ist Resonanz nur auf psychisches zu beziehen? Nur auf zwischenmenschliche Beziehungen? Nach Appell des Fragestellers ist Resonanz auch zwischen Mensch und Natur vorstellbar – sie kann objektiviert werden und damit zugänglich, durchhaltbar etc sein
  • Resonanz ist ein Zeitbegriff – ein kreisläufiges Schwingen – in dem es Zeiten und Räume für Individuen braucht
  • Bei mir aufkommender Gedanke während der Diskussion: Ich war suffizient und resonant auf dem Weg zur Gründung meines Startups – Verzicht, um das Gute zu erreichen, weil es richtig schien. Dazu folgt in Zukunft ein eigener Beitrag auf diesem Blog.

Abschlussveranstaltung: “Die große Transformation und die (Un-)Verfügbarkeit der Zukunft” (1,5h)

Das Aufeinandertreffen der drei Köpfe des Postwachstumskollegs bildete in meinen Augen einen würdigen Abschluss der intensiven Woche. Drei Männer, natürlich, die sich über Jahre inhaltlich und persönlich bearbeitet haben und es dabei offensichtlich schafften, die Freude an der Kontroverse zu pflegen. Diese 1,5h waren pures Entertainment – inhaltliche Witze, die mich abholten. Leider bin ich schlecht im Witze nacherzählen. Deshalb vor allem die inhaltlichen Aussagen knapp zusammengefasst:

Stephan Lessenich

  • Was folgt denn aus der Analyse? Oft enden hier die Diskurse.
  • Lebenselexier des Kapitalismus ist die Suggestion, man könne das Unverfügbare verfügbar machen. Die Verheißung ewigen Reichtums – davon zehrt der Kapitalismus in seiner gesellschaftlichen Akzeptanz.
  • Wir müssen an die Vorstellungswelten des Möglichen
  • Ich bin nicht dafür Soziologie als soziale Bewegung zu verstehen
  • Knallharte Auseinandersetzung kann man nicht resonanztheoretisch wegdeuten – es braucht Räume für gesellschaftliche Aushandlungsprozesse
  • Probleme soziologischer Praxis:
    1. Privilegien werden nicht reflektiert
    2. Nur Theoretisches Interesse an der Sache
    3. Selbstgenügsamkeit der Projekte

Klaus Dörre:

  • Negative Freiheiten, die zu Lasten anderer gehen, einschränken. Klare Regeln zur Befreiung finden – “come together” sangen schon die Beatles (kam am Tag der Veranstaltung vor genau 50 Jahren raus). Wer kann sich welche Freiheiten auf Kosten von wem herausnehmen?
  • Freiheit weniger muss zugunsten der großen Mehrheit eingeschränkt werden. Die daraus entstehenden Kämpfe sieht er als Befreiungsprojekte. Nicht als Verbote, sondern als Befreiung von einer Bedrohung.
  • Um Wahrheit ringen als Essenz des Wissenschaftsverständnis (siehe Klimawandel). Was machen wir jetzt eigentlich damit? Konstruktive Kontroversen führen: “Der Lärm der Alternative” 
  • Amsterdam als Musterbeispiel der Verkehrswende startete mit der konsequenten Verbannung von Autos

Hartmut Rosa:

  • Widerspruch zum vorher gesagten: Was ist eigentlich Soziologie und wie unterscheidet sie sich von der Politik? Ich produziere keine Wahrheiten – Zwischenruf: die Aussage wundert mich nicht!
  • Gerade das, was gegen die eigene Position spricht gilt es Ernst zu nehmen.
  • Was wir produzieren können: bestmögliche Deutung wer wir sind und was wir sein können und wollen (nach Taylor)
  • Wie schaffen wir es klimaneutral zu sein und trotzdem ein gutes Leben zu führen? Was wir brauchen sind Verbote und knallharte Kämpfe – durch Verbieten regulieren funktioniert nicht. Gemeinden sollte ein Quantum CO2 zur freien Verfügung stehen.
  • Blick auf Gesellschaft als Ganzes ist dringend nötig. Mit der Beschleunigungs-Theorie wollte Rosa ein Deutungsangebot machen – denn es gibt transdisziplinäre Gründe sich mit Zeit auseinandersetzen. Dieses Deutungsangebot muss sich bewähren, irritieren lassen und sollte dringend ergänzt werden.

“Wir werden immer Wahnsinniger. Sie müssen auf ihren Wahnsinn verzichten – unsere Gesellschaft ist quasi wahnsinnig. Wir brauchen Visionen einer weniger wahnsinnigen Gesellschaft!”

Hartmut Rosas Appell zum Abschluss

Fazit nach 15 Sessions

Erstmal Danke, falls du es bis hierhin geschafft hast. Dieser Blogbeitrag ist im Umfang etwas ausgeartet. Dabei konnten dennoch viele Argumentationen nicht ausführlich dargestellt werden – ich empfehle bei Interesse die jeweiligen InputgeberInnen nachzuschlagen.

Die Konferenz begeisterte mich. Es gab starke Gegenwartsanalysen, Kritik und Meta-Theorie. Der Wunsch nach alternativen Handlungspfaden und starken Zukunftsbildern wurde deutlich. Auch wurde der Utopie-Begriff ganz selbstverständlich positiv verwendet und konkrete Beispiele aufgezeigt – von insgesamt 1.300 interessanten Menschen, die mir Hoffnung geben. Wir sind nicht allein.

Leider waren die meisten Formate doch immer noch recht top-down, sodass vieles eher Anregung blieb, als uns Gäste konkret ins Machen zu bringen.

Blogadmin, kritischer Zukunftsforscher und Realutopist. Mehr über den Blogansatz unter dem Menüpunkt Philosophie.

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