Wie Sprache unsere Vorurteile reproduziert – am Beispiel von 5 Sprichwörtern
In Zeiten von #blacklivesmatter und all den anderen, wiederkehrenden Ungerechtigkeiten gilt es regelmäßig den eigenen Anteil und die eigenen Privilegien zu checken. Ein Ansatz kann sein die Sprache zu hinterfragen, die wir bisher verwendet haben. Quasi niemand käme heute mehr auf die Idee das N-Wort zu benutzen, weil sich einfach rumgesprochen hat, wie verletzend das für die Betroffenen ist. Ich liste hier ein paar Sprichwörter auf, die ebenfalls Verletzungen enthalten, aber oftmals unreflektiert benutzt werden und teile ein paar, unvollständige Überlegungen dazu…
Ein Indianer kennt keinen Schmerz
Indianer kennen sehr wohl Schmerz. Die Kolonialisierung Amerikas war wohl einer der größten Völkermorde der Geschichte. Was könnte schmerzhafter sein?
Der Spruch wird ja gerne gegenüber Kindern verwendet, die Indianer cool finden. Doch was ist das für ein (Männlichkeits-)Verständnis, wenn das Kind weint und mit der Begründung aufhören soll, dass die angeblich coolen, harten Indianer keinen Schmerz kennen? Schmerzen sind mehr als menschlich. Sie zu haben steht jedem von uns zu. Der Umgang damit sollte keinesfalls in Unterdrückung bestehen.
Wir sitzen alle in einem Boot
Wir. Die Gesellschaft. Die wir alle gleich sind und alle das Gleiche wollen. Diese Perspektive negiert die Tatsache von Chancenungleichheit von Geburt an. Von Benachteiligung unterschiedlichster Minderheiten. Die Formulierung wird primär von den Kapitänen des Boots benutzt, um die, oft unterbezahlten, RuderInnen hinter sich zu versammeln. Die Antwort kann nur sein: Wenn wir mitbestimmen können, wohin wir steuern, dann ist es auch unser Boot!
Passt wie die Faust auf’s Auge
Anstatt davon zu sprechen, dass etwas wirklich gut zusammen passt, fällt gerne diese Formulierung. Warum? Ist sie doch offensichtlich Gewaltverherrlichend und stimmt faktisch nicht. Wer würde denn im friedlichen Deutschland des 21. Jahrhunderts noch ernsthaft behaupten, dass eine Faust auf ein Auge passt? Natürlich können wir sagen, das ist doch nur ein alberner, bildlicher Vergleich. Höhö. Aber warum solch negative Bilder nutzen, anstatt neue, positive zu konstruieren?
Ein Mann, ein Wort
Ist das Wort einer Frau nicht genauso viel Wert? Würde sich “Ein Mensch, ein Wort” blöd anfühlen, weil es verändert, was wir gewohnt sind? Oder bildet der Ausspruch auch das Vorurteil ab, dass Männer eher wortkarg, sachlich kommunizieren – was wiederum hieße, dass sie wenig Emotionen zeigen können und sollen?
Natürlich ist es wünschenswert, zu seinem Wort zu stehen – eine gewisse Zuverlässigkeit ist auch mir persönlich extrem wichtig. Gleichzeitig kann eine neue Informationslage auch dazu führen, dass die Situation anders beurteilt werden sollte. Das “Ein Mann, ein Wort”-Dogma lädt allerdings zum Trotzen ein. Diese alte, überholte, Möchtegern-Stärke scheint heute einfach nicht mehr angebracht.
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm
Natürlich übernehmen wir viel von dem, was uns unsere Eltern und die Family vorleben. Das ist ganz normal, menschlich und nützlich. Jedoch zu unterstellen, wir wären im Prinzip nur Minimis unserer Eltern, basiert auf einem Vorbestimmtheits-Dogmatismus, den wir so nicht annehmen sollten. Ich bin ein Individuum, das als Kind gelerntes jederzeit hinterfragen kann – auch wenn das vielleicht erstmal bedeutet, in den sauren Apfel beißen zu müssen.
Es ist keinesfalls akzeptabel, sich den negativen Kontext anzueignen, mit dem darauf verwiesen wird, man wäre sowieso wie seine Mutter / sein Vater. Nein, ich bin ich. Und manchmal mache ich ähnliche Scheiße wie meine Eltern, auch weil ich da vielleicht noch nicht so genau hingeschaut habe – aber ich kann mich auch anders entscheiden.
Ein-Bildung über Sprache
Es spricht vieles dafür, dass Sein Bewusstsein schafft, wie Marx es mal formulierte. Dementsprechend ist unsere Sprache eng damit verknüpft, wie wir unsere Welt konstruieren. Denn das was wir formulieren und von anderen hören, prägt die Wahrnehmung. Gängige Sprichwörter nehmen Einfluss darauf, wie wir uns gesellschaftlich verhalten. Es hilft immer, kurz mal inne zu halten und sich zu fragen: Will ich das wirklich so sagen oder kann ich es mit nem anderen Subtext präziser und schmerzfreier rüberbringen?