Macht New Work:
Wer schöne Arbeit will, muss erstmal gar nix

Ein Full Circle-Erlebnis: Wir connecteten auf Linkedin und teilen nun die Erkenntnisse unseres Austauschs u.a. auf Linkedin. Völlig zufällig entdeckte ich, Jonas, bei der Suche nach guten Restaurants im Westend, dass Sophie und Anna, die Gründer*innen des Instituts für schöne Arbeit, in meiner Nachbarschaft arbeiten. Den beiden war ich schon das ein oder andere Mal über den digitalen Weg gelaufen. Da kann Mensch schon mal Hallo sagen, dachte ich mir. Nach dem Hallo entdeckten wir schnell eine Schnittmenge in Sophie’s Zugang zu New Work und meiner zu kritischer Zukunftsforschung. Ging also ganz flott über vom digitalen Networken zum nett worken und mundete in einer schönen Zusammenarbeit – geprägt durch das gemeinsame Interesse an Macht-Fragen, worauf es bei schöner Arbeit ankommt und warum viele Wege zu Haltungsfragen führen. Schön lesen, bitte!

Der Text basiert auf zwei Gesprächen von Sophie und Jonas

Sophie’s schöne Arbeitswelt

Macht als Thema ist bei Sophie eng mit ihrem Werdegang verknüpft: Als Frau aus den neuen Bundesländern rieb sie sich immer wieder an männlich geprägten Machtstrukturen, insbesondere in Konzernen. Gleichzeitig fragte sie sich, wie es da erst für die sein muss, die mit (noch) weniger Privilegien ins Leben gestartet sind? Im Institut für schöne Arbeit basiert dieser menschenzentrierte Zugang auch darauf, dass die beiden Gründerinnen beide Psychologie studiert haben. Ihre feste Überzeugung: Jeder Mensch ist erstmal gut, so wie er ist und braucht “nur” den richtigen Rahmen, um sich zu entfalten. Stärkenbasiertes Arbeiten fragt danach, was jede*r mitbringt und wie das genutzt werden kann. Fairness im Team heißt nicht, dass jede*r das Gleiche macht. Das beste für ein Team ist eine große Stärken-Vielfalt bei möglichst hoher Wertekonformität.

Der Ansatz der schönen Arbeit verknüpft entsprechend Freude mit Erfolg, wobei beides immer für jeden Menschen individuell gesehen werden muss, so wie die Schönheit selbst. Die Diskussion zur Work-Life-Balance ordnet Sophie so ein, dass Arbeiter*innen Raum dafür bekommen müssen, Mensch zu sein. Arbeit spielt faktisch so eine wichtige Rolle im Leben und kann kaum schön sein, wenn es nur um Performance geht, der Mensch zur Ressource degradiert wird. Diese Überlegung geht Hand in Hand mit dem Wandel der Arbeit: Weg von Tätigkeiten im Außen, bei der die Arbeit beim Schließen der Tür auch dort verbleibt. Viele Arbeitsleistungen entstehen heute im Inneren – macht also irgendwie auch Sinn, dass die Psychologinnen sich um schöne Arbeit kümmern, wa? 

In der Vorüberlegung für den Artikel hatte ich schon mal die Unterüberschrift “Warum Veränderung von Entscheidungsträger*innen gesagt, aber oft nicht gemacht wird” aufgeschrieben. Das stellt sich dann nicht als der Schwerpunkt unserer Gespräche heraus. Dennoch machte Sophie einen Punkt, den ich für entscheidend für die zukünftige Relevanz der New Work-Bubble halte: Das Institut für schöne Arbeit arbeitet nur mit Veränderungswilligen. In einem Vorgespräch wird vorher abgeklopft, ob die oberste Führungsetage an Bord ist und ob das Projekt mit der Zielsetzung des Unternehmens korespondiert. Das ist auch Selbstschutz. Denn nur so lohnt sich der Energie-Aufwand, der Wandel bedarf. Beispielsweise macht eine Diversitätsschulung ohne Verankerung in der Kultur der Organisation keinen Sinn. Diese Klarheit wird von den Mächtigen sehr geschätzt. Sie wissen von Anfang an, dass hier keine halben Sachen gemacht werden. 

Was macht New Work? Eine interne Reflexion

Diese Form von Haltung ist, was New Work ausmacht. Es geht viel mehr darum, Offenheit herzustellen und Verantwortung für die eigenen Überzeugungen zu übernehmen, als sich an fancy Methoden oder gehypten Trends zu berauschen. Allein deshalb hat New Work viel mit Macht und Privilegien zu tun. Denn die, die jetzt oben sind, entscheiden über diese Möglichkeitsräume, also darüber, was innerhalb einer Organisation als sagbar wahrgenommen wird. New Work kann, wie jedes Buzzword, nicht die Antwort auf jede Frage zur Zukunft der Arbeit sein. Home Office, Tischkicker und Diensthandy sind Beispiele für scheinbare New Work-Easy Wins, die aber der Komplexität der Debatte nicht gerecht werden.

Stattdessen geht es um einen bewussteren Umgang. Ein New Work-Haltungsbeispiel ist auch der Versuch, Entscheidungen zu ermöglichen, mit denen niemand massiv Nachteile hat. Wir sind gerade in einer Phase, in der Hierarchien so umgestaltet werden müssen, dass entsprechende Rahmenbedingungen entstehen. Gute Macht ist die, bei der alle ruhig schlafen können, weil sie die Regeln verstehen und wissen, wie sie verändert werden können, wenn sie entsprechende Regel-Versuche sich als nicht haltbar herausgestellt haben und ein neuer Gruppenprozess vonnöten ist. 

Dafür helfen der New Work-Bewegung klar verständliche  Frameworks wie der Loop Approach (mit 7 Tugenden effektiver Organisationen) und empirischen Erhebungen dazu. 

Die Haltungsfrage stellt sich auch bei der Experimentierfreudigkeit, der Auseinandersetzung mit dem eigenen Ego und den Bedingungen für Vertrauen. Letztlich geht es meist darum: Möchte ich das größte Stück vom Kuchen oder bin ich der Meinung, der Kuchen ist groß genug für alle? New Work kann eine Bewegung werden, die sich weg von vorherrschender, kapitalistischer Konkurrenz-Logik hin zu Kooperation und Miteinander bewegt.

Macht zur Veränderung? Ein Aufruf an die Kund*innen

Menschen tendieren zu einfachen Lösungen, aber Veränderung ist selten so einfach zu haben. Es gilt immer wieder sich durch die bietende Komplexität zu wühlen, um ein Verständnis für sinnvolle Hebel zu gewinnen. Veränderung ist ein Prozess des Habit Hackings, ein bewusstes Integrieren von im langsamen Denken erfolgten Analysen in die Gewohnheiten des schnellen Denkens im Alltags. Kahnemann ist hierzu eine wunderbare Literatur, auf die wir uns beide sofort einigen konnten. 

Wie nötig das ist, zeigen die vielen Menschen in Workshops, die in erlernter Hilflosigkeit gefangen scheinen und Selbstwirksamkeit erst wieder erlernen müssen. Viele haben vergessen, dass Arbeit anders sein kann, weil ihr Arbeitskontext geprägt ist von Stress wegen unschönen Aufgaben, Druck oder fehlenden Ressourcen, um den Anforderungen gerecht zu werden. In einer solchen Konstellation ist es schwierig zu verstehen, dass ich die Person sein kann, die etwas ändern kann. 

Wir appellieren daher an ein neues Selbstverständnis von Führungskräften als Gärtner*innen. Sie geben die Möglichkeit zum Wachsen, pflegen und berücksichtigen individuelle Bedürfnisse. Wer braucht mehr, wer weniger Sonne? So gelingt eine gute Ernte. Für alle. Umgekehrt gilt, dass das Gießkannenprinzip sowohl für Freude als auch Erfolg eher überflutend wirkt. Gutes Management organisiert und hält sich aus der Sache raus. Alles andere kostet bares Geld.  

Führungskräfte haben die Macht, Entscheidungen zu treffen, die Veränderung begünstigen. Sophie hatte sofort ein paar gute und schlechte Beispiele parat:

Positivbeispiele für Verhalten von FührungskräftenNegativbeispiele für Verhalten von Führungskräften
Kooperation gelingt ohne Bonus-Modelle deutlich eher “Die anderen machen es doch auch nicht” 
Fehlerkultur gelingt, wenn ich es vorlebe
“Es ist noch nicht schlimm genug”
Gute Lösungen gelingen, wenn das Team unterschiedliche Perspektiven hat, also eher divers aufgestellt ist “Kann Veränderung überhaupt gelingen?”
Statt Probleme ins Innere verlagernde “Good vibes only”-Ansagen, müssen Probleme offen angesprochen werden können “Kann mein Handeln überhaupt ein Unterschied machen?” 
Wie arbeiten wir als Team? Was ist gut, was soll mehr werden, was weniger? Darüber muss neben Zahlen, Daten und Fakten auch gesprochen werden“Ich würde ja Verantwortung abgeben, aber die wollen das ja gar nicht”

Veränderung lebt auch vom Druck, dass es anders werden muss. Ein gutes Beispiel ist der Fachkräftemangel. Dennoch wird an jeder Ecke gegen die Generation Z geschossen. Abseits davon, dass Persönlichkeitsmerkmale innerhalb einer Generation sehr vielfältig sind, wird das Generationen-Ding gerne zur Komplexitätsreduktion genutzt. Es entsteht ein Kohorteneffekt, wenn eine Gemeinschaft den gleichen Einflüssen zur gleichen Zeit ausgesetzt ist. Gen Z ist somit offensichtlich anders sozialisiert als zum Beispiel die Babyboomer.

In diesem und in allen genannten Kontexten ist deshalb Kommunikation und Austausch so wichtig. Schubladensysteme können helfen, Unterschiede zu verstehen. Aber: Kommunikation hat kein Ende. Es gilt, den Garten immer wieder neu zu bestellen, denn Monokulturen ruinieren den Boden. Veränderung ist natürlich und kann gestaltet werden. 

Blogadmin, kritischer Zukunftsforscher und Realutopist. Mehr über den Blogansatz unter dem Menüpunkt Philosophie.

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