NOOK NAMES: Meine Startup Story
Von 2013 bis 2017 habe ich mein Leben dem Aufbau eines Startups gewidmet. Als Netzwerk für kreative Freelancer bewegten wir uns im Spannungsfeld von weichen Faktoren wie Aufklärung und Austausch, forcierten harte Maßnahmen wie einen Mindesttagessatz und setzten eine Plattform um, die sich auch finanziell lohnen sollte. Fünf Jahre später blicke ich auf diese fünf Jahre zurück. Für diesen umfassenden Rückblick brauchte ich nochmal ein Jahr, um mich all den erlebten Emotionen, Erfolgen, Learnings, naiven und menschlichen Verhaltensweisen zu stellen. Ich wurde vom Neuen zum Mitgründer, wir wuchsen von der Idee zum Business, während ich zwischen den Welten wandelte: Zwischen Top-Agentur und Jobcenter. Basis für die Reflektion ist dabei eine Art Chat-Tagebuch mit einem alten Schulfreund, der mich auf dieser Reise begleitet hat. Der Text ist dabei schonungslos offen, aber mit einem wohlwollenden Blick auf diese Zeit verfasst. Es geht mir weniger darum, mit dem Finger zu zeigen, als zu lernen und vielleicht nochmal etwas mehr mit dem Thema “NOOK NAMES” abzuschließen. Es folgt: Meine persönliche Startup Story: Zahlen, Daten und Fakten stehen neben wildesten Anekdoten, wie der um die Augenhöhe mit einem anderen Startup, das 2022 für Millionen verkauft wurde, ein 2.500€-Anruf, abgrundtiefe Beleidigungen, unser gescheitertes Crowdfunding, Investoren-Gespräche und meine Tätigkeit als Erklärbär…
Übersicht: Die großen Themen in 2 Minuten erfassen
Dieser ausufernd lange Blogbeitrag, den ich schon massiv eingekürzt habe, wird ist von mir chronologisch strukturiert. Ich hebe dabei den Fokus des jeweiligen Jahres heraus, gehe dann auf ein paar zentrale Themen des Jahres tiefer ein und verknüpfe die Themen mit den Folgeentwicklungen. Diese Visualisierung zeigt eine Übersicht über den jeweiligen Hauptfokus des Jahres, sowie die zentralen Themen, die ich im folgenden weiter ausführe.
Der Anfang manifestiert
Zusammen mit meinem Bruder besuche ich ein NOOK-Event. Die dreifaltige Magie war dabei Liebe auf den ersten Blick.
Commitment
Die Magie wird Alltag und mit der Frage verknüpft: Wie geht Business ohne Ausverkauf?
Menschen kommen und gehen, aber ich werde die Nummer 2
Geld & Liebe führen zur Beta-Version unserer Plattform
Während zwischenmenschliche Spannungen im Kern belasten, gewinnen wir immer mehr Unterstützer*innen für die Sache, die langsam Form annimmt.
Prekäre Utopie muss sich so langsam mal rechnen
Zwischenmenschliches frisst Business zum Frühstück
Wir fangen endlich an ernsthaft Geld zu verdienen, doch verlieren die Freude.
Netzwerken: Comatch, Samwers, FAZ & größte Branchenplayer
Das Zusammenspiel aus Phils Vertrieb und meiner Freelancer-Vermittlung
Aufstieg, Ausstieg und Ausblick
Unser Netzwerk funktioniert und bringt kontinuierlich Umsätze ein, obwohl wir eigentlich nur noch über einen Mediator miteinander reden. Es wird Zeit für Veränderung.
Businessmäßig läuft’s, eigentlich
2013: Der magische Anfang mündet im Manifest
2012 war ein wildes Jahr für mich. Nach meiner Bachelorarbeit über Unternehmenserfolg auf Facebook, verhalf mir die Realisierung eines Bewerbungsvideos mit 23 Jahren zu meinem ersten Job als Festangestellter. Bei den Webguerillas in München trat ich an, um aus der Social Media-Revolution etwas Gutes – Kommunikation auf Augenhöhe – für die Menschen zu schaffen. Das Gegenteil war der Fall: Den Konzernen ging es nur um Wachstum, Hype und neue Vertriebskanäle. Dass ich nach der sechsmonatigen Probezeit gehen musste, erfüllt mich mit dem gebührenden Abstand eher mit Stolz. Basierend auf meinem Studenten-Lifestyle hatte ich mir in dem halben Jahr etwas Geld zur Seite gelegt. Ich fuhr nach Berlin und besuchte meinen Bruder und Onkel. Einen Monat später hatte ich meinen ersten Freelance-Auftrag und ein WG-Zimmer in der Tasche. Was folgte, war eine klassische Berlin-Erfahrung zwischen verwirklichten und geplatzten Träumen.
Nach meinem Umzug im Herbst 2012 folgte bald die Ernüchterung: Der Start des Auftrags ließ lange auf sich warten, neue Aufträge ebenso. Hallo, Arbeitslosigkeit Teil 1! Mir wurde schnell klar, dass ich ohne Netzwerk als Solo-Selbstständiger nicht überlebensfähig bin. Gleichzeitig fruchteten mit wenig Verve vorgetragene Versuche einer erneuten Festanstellung nie. Auf der Suche nach Gleichgesinnten landete ich über eine dasauge.de-Ausschreibung bei NOOK NAMES.
Mein erstes NOOK IMPULS MEETING im Basecamp im September 2013 transportierte eine Magie, die magnetisch auf mich wirkte. Im Vorfeld taten sich mein Bruder und ich schwer uns aufzuraffen. Und dann fanden wir eine Begeisterung, Enthusiasmus, höchsten Designanspruch und viele viele aktivierende Ideen vor. Ein Event, das seinesgleichen suchte. So einfach und zwanglos lernte ich noch nie und auch nie wieder sonst andere, spannende Freelancer*innen aus der Kreativbranche kennen. Wenige Wochen später traf ich Phil, den Initiator des Projekts, und wir sprachen über Qualität, Solidarität unter Freelancer*innen, Dumping-Tagesätze, Ideen einer Plattform, die “we connect creatives” wirklich Leben einhaucht und immer wieder über die Events. Ich hatte wieder etwas gefunden, für das es sich zu arbeiten lohnte.
Die vielfältige Magie der Events
Die Events können aus so vielen Perspektiven betrachtet werden und überall könnte ich eine Vielzahl von Geschichten erzählen. Fangen wir bei den Emotionen an: Wir hatten das Glück, eine Vielfalt an Menschen anzuziehen, sodass eine ungezwungene Diversität bereichernd wirkte. Wir haben Diversität nie als Teil unserer Strategie benannt, aber wir haben sie gelebt. Dieses Bunte tut einem Netzwerk-Event für Kreative extrem gut, bricht die nächste Inspirations-Welle doch häufig ganz unvermutet über einen herein – einfach nur, weil die eigene Offenheit es zulässt. Und dafür ist Geschlecht, Sexualität, Gesichtsfarbe, Behinderung oder so höchstens dahingehend relevant, dass andere Erfahrungen bereichernd wirken können. Darüber hinaus setzten wir ganz bewusst auf eine Vielfalt an Netzwerk-Möglichkeiten auf unseren Events. Nachdem Phil bei seinem allerersten Event mit einem Eventmanager zusammenarbeitete und der im Grunde meinte, es reicht schon, die richtigen Leute in einen Raum zu stecken und der Rest erledigt sich von selbst, war für ihn klar: Wir ziehen das richtig auf!
Das beginnt bei einer persönlichen Einladung und einem freundlichen Empfang, bei dem Mensch sich direkt Willkommen fühlt. Vielen Dank hierfür nochmal an Silke. Wir alle wissen, warum du und nicht ich diesen Job übernommen hast. Dann war die Maximalgröße eines Events auf 100 Menschen beschränkt, sodass Phil und ich uns vorab unsere Gästelisten genau ansahen, also auch nochmal einen Blick auf deren Website warfen. So konnten wir als Connectoren so manche Verbindung herstellen, die in Sachen Business und/oder Freundschaft bis heute andauern. Unser Blackboard sorgte in einer oldschooligen Suche/Finde-Manier dafür, dass die eher introvertierten sich auch platzierten konnten. Ähnliches galt für die selten eingesetzt, aber dafür gefeierte Galerie, bei der einige Gäste ihre Arbeiten ausstellen konnten. Auch ich als Erklärbär, der in seinem albernen Kostüm auf die Gäste zugeht, konnte punkten und Offenheit herstellen. Am erfolgreichsten würde ich aber den Creative Quicky bezeichnen, an dem wir immer wieder feilten. Es geht im Speeddating-Prinzip darum, innerhalb von 10-15 Minuten fünf neue Kontakte zu gewinnen. Am Ende sind immer 1-2 dabei, mit denen Mensch auch danach noch gerne quatscht. Wir setzten aber auch schon 2014-2015 auf die da gerade aufkommende Fotoboxen, die einige Startups wie http://www.blitzbu.de/ gerne kostenlos für das Event bereitstellen, um unsere attraktive Zielgruppe zu erreichen. Daneben ging es uns immer auch um das gesamte Setup des Events, das zum Miteinander einlädt. Wir räumten immer alle Sitzmöglichkeiten beiseite, stellten die Anwesenden Auftraggeber nicht in den Mittelpunkt und arbeiteten Mitfarbcodes für die Namensschilder. Solche Kleinigkeiten.
Eine wirklich große Sache waren die Locations, die einerseits mitunter die coolsten Plätze der Stadt repräsentierten und die wir ausnahmslos kostenlos bzw. auf Basis von einem nie verfehlten Mindestumsatz erhielten.
- Herausheben möchte ich mit dem Fluxbau die Eventlocation von FluxFM direkt an der Spree: Hier hatten wir zu Beginn eine magische Location, die in Sachen Größe und Interieur perfekt zu dem passten, was wir zu dem Zeitpunkt verkörperten. Sebastian hat über seinen Eventbesuch hier gebloggt.
- Das ehemalige Restaurant Parker Bowles direkt am Moritzplatz war etwas schicker und verkörperte vielleicht den Event-Hype, den wir zu der Zeit hatten und bei dem wir das einzige Mal auch über 100 Gäste zuließen. Stammgäste und guter Mix an neuen Gesichtern
- Die Malzfabrik der Agentur Dunckelfeld in Köln war für mich die beste Location für das beste Event außerhalb Berlins – hier hatten wir den perfekten Mix aus WG-Party und professional Networking.
Überhaupt Köln. Die Stadt hinterließ einen bleibenden Eindruck bei mir. Denn eigentlich waren wir mit den Eventstädten Hamburg, wenigstens nah an Berlin, und Wien, immerhin in der östereichischen Heimat von Phil, schon mehr als ausreichend ausgelastet – und dann schrieb uns Kristina an, die von uns gelesen hatte und auch gern so nen geiles Netzwerk-Event in Köln haben wollte. Auf unsere Antwort “Aber nur wenn du uns hilfst” kam ein fröhliches “Eh klar!”. Die Sache war eingeloggt. Die erste Runde war unser am schlechtesten besuchtes Event ever. Warum? Weil die Kölner*innen alle das kostenlose +1 nicht einlösten. Auf Nachfrage alle so: Naja, bin doch hier, um neue Leute kennenzulernen. Das ist dann wohl diese rheinische Frohnatur, von der alle sprechen. Bei der nächsten Ausgabe investierten wir deutlich mehr und hatten Full House in besagter Malzfabrik. Einer unserer Gäste erkundigte sich, nach meiner schüchternen Nachfrage, ob er nicht etwas in die Spendenbox geben wolle, wie wir den Spaß eigentlich finanzieren. Ich druckste rum und musste eingestehen, dass das aktuell alles ein Verlustgeschäft ist. Er meinte, das könne doch nicht wahr sein, schnappte sich die Spendenbox und sammelte binnen zehn Minuten über 100€ bei den Gästen ein.
2014 veranstalten wir fantastische und finanziell völlig unlukrative Events in vier Städten, es fand auch schon das dreizehnte von insgesamt 18 in diesem Jahr statt. Es waren üblicherweise zwischen 50 und maximal 100 Leute (von uns gedeckelt) da. Später sind wir nach harter Kalkulation von mir, sowie eingeworbenen Sponsoren auch mal mit kleinem Plus raus – aber nur, wenn man die eigene Arbeitszeit raus rechnet.
Wenn ich heute Events erlebe, die wie Online Marketing Rockstarts nur als Cashgrab konzipiert sind oder der Space irgendwie auf die Muttermarke einzahlen soll, kann ich das leider oft nicht so richtig ernst nehmen. Warum geht es so selten um die Sache? Warum so steif? Warum werden die Menschen einfach nur in nen Raum gesteckt und ins Kennenlernen gebracht? Basierend auf meinen Erfahrungen scheint es doch so leicht…
Die Magie des Designs
Design, das direkt anspricht: Wild, verspielt, laut, frech, in your face, aber auch nicht zu drüber. Oder wie mein Chat-Partner sehr früh schrieb: “Ich find das NOOK Design einfach schonma ohne Plan vom Inhalt sehr sehr geil.” Mir ging das ähnlich. NOOK NAMES war prägend für mein ästhetisches Design-Empfinden, aber auch für mein Verständnis für die Bedeutung von Design im Prozess und für die Markenbildung. Wir wollten immer das verspielte, kreative zeigen, für das wir stehen. Wie Phil’s Frisur ging unser Startup nach vorn und zeigte, dass wir uns was trauen! Völlig egal, ob sich dabei um die Website, das Logo, Fotos, Motion Design oder auch nur das Licht auf dem Event geht. Unser Design war immer der Ausdruck davon, dass wir ein Kreativnetzwerk sind – das hat viele Kreative auch intuitiv zu uns hingezogen und uns Türen geöffnet. Das Design war immer professioneller als unsere Prozesse 😉
Sehr passend zu unserem Hauptdesigner Hannes Dolde, mit dem ich auch heute noch befreundet bin.
Die Magie der Utopie
Die Events und das Design spiegeln die Utopie einer neuen Arbeit, basierend auf Freiheit, Kreativität, Freude & Wahnsinn. Der Treiber und die Quelle der Utopie war zweifelsohne Phil Meinwelt, der als Träumer, Phantast, Wahnsinniger und Workaholic für alles offen war, was seinem gelben Baby nützt. Gleichzeitig musste es seine Idee werden, damit es gemacht werden konnte.
Nach meinen ersten Monaten des Beobachtens, Fragens und mir rum spinnens, legte ich ein Manifest vor, das sich in der Folge noch mehrmals weiterentwickeln sollte: Die NOOKOSOPHIE
Definitionsecke
NOOK ist eigen. Eigenständig. NOOK ist die Ecke, die Ecke um die Du denkst. Authentisch. Transparent. NOOK verbindet Kreative, vernetzt permanent, Städte übergreifend Freelancer. Freelancer mit viel beruflicher, kreativer Erfahrung und entsprechenden Referenzen, aber wenig Muse zur Akquise und Selbstpräsentation. Young Talents mit einigen hochwertigen Arbeiten und noch viel Potenzial und Kapazitäten. NOOK selektiert Freelancer, mit denen hochqualitativ gearbeitet werden kann. Freelancer, die mit ihrer Persönlichkeit Agenturen & Unternehmen in kreative Ekstase versetzen. Freelancer, mit denen auch du gerne zusammenarbeiten würdest.
Eckpfeiler
NOOK hilft der Kreativbranche. Dabei konzentrieren wir uns auf das tägliche Kreativbrot. Freelancer aus den Bereichen Grafik, Video, Fotografie, Text, Social Media oder Konzept bis hin zu Make-up, Styling oder, oder, oder… Die NOOK Community kennt den Freelancer-Lifestyle und weiß um seine individuellen Bedürfnisse. NOOK stützt die „Mittel“, ohne die mancher Zweck nie erreicht werden würde. Gleichzeitig selektiert NOOK interessierte Freelancer nach qualitativen und persönlichen Kriterien wie handwerklicher Qualität, Macher-Attitude und eigenen Stil. Wer kein NOOK NAME werden kann, erhält eine persönliche Absage mit Begründung. Denn jeder hat die Chance, zu wachsen.
Grundsätzlich geht es bei NOOK um persönliche Beziehungen füreinander, sodass jeder profitiert und sich deshalb auch gern gegenseitig hilft. Grundlage dafür ist das NOOK IMPULSE MEETING, welches dem persönlichen Kennenlernen dient und durch eine stetig wachsende (ändernde) Entertainment-Area abgerundet wird. Es findet bisher regelmäßig in Berlin, Hamburg und Wien statt. Vielleicht bald auch in deiner Stadt? Ist eine Stadt gut genook, wird ein NOOK AGENCY EVENT veranstaltet, auf dem sich die ausgewählten Freelancer mit Partneragenturen vernetzen können. NOOK l(i)ebt auch Online mit hochwertigem Content. NOOK stellt ausgewählte Freelancer und Partneragenturen in exklusiven Videos vor, die NOOKverliebte Medienpartner gerne verbreiten.
Nächste Ecke
Jeder der mit NOOK in Kontakt kommt, erkennt schnell seinen eigenen Nutzen. Doch die Frage ist, warum NOOK so ein umfassendes Projekt ohne kurzfristige Gewinnperspektive stemmt. NOOK ist stolz darauf, dass Besondere zu wagen und das zu tun, was Spaß mit sinnvollem Nutzen verknüpft. Aus kreativen Netzwerken entstehen immer neue, spannende Dinge. NOOK will den gesamten Kreativprozess bedienen und sowohl Freelancer-Teams für eigene Projekte und Kunden zusammenstellen, als auch erster Ansprechpartner für Agenturen sein, die Freelancer suchen. Keine Sorge: Als Spezialist für Win-win-Situationen sorgt NOOK für genook Nutzen innerhalb der Community und setzt sich dabei gegen Preisdumping ein. Aus dem richtigen Kontakt entsteht ein richtiger Auftrag. Und der richtige Freelancer in der richtigen Agentur sorgt für richtig glückliche Unternehmen und Marken.
Wer nur kleine Medienbrötchen bäckt, wird nie wissen, wie große schmecken. NOOK hat die Chance, ein gigantischer Pool mit ausgewählten Freelancer zu werden, der sich als größtes Backstage-Portal der Kreativszene positioniert, hintergründig über die wirklich bedeutenden Kampagnen berichtet und Kooperationen mit den wichtigsten Szene-Größen eingeht.
BIST DU GUT GENOOK?
Köpfe, die an so etwas glauben, sind halt tendenziell kreative Berliner Spinner, mit der Bereitschaft sich regelmässig zu wildesten Meetings für sechs Stunden einzuschließen, um zu fünft über elf verschiedenste Ideen zu labbern. Es waren die unstrukturiertesten Meetings, die du dir vorstellen kannst, aber die Energie floss – vielleicht gerade, weil die Dinge nie von der Machbarkeit her gedacht wurden. Meine Form der Struktur bestand oft daran, das Besprochene wenigstens am Whiteboard mitzuschreiben – oder aber auch gerne mal eigene Geistesblitze anzuskizzieren.
Gleichzeitig herrschte eine große Hands on Mentalität. UX-Design ist der heiße Shit und wir kennen zu wenige Freelancer, die das machen? Kein Problem. Wir recherchieren jeder zehn sehr gute und rufen sie einfach an und sagen, dass wir sie dabei haben wollen. Why not?
2014: Com mit men*
Anfang des Jahres launchen wir eine neue Website, hier in einer roughen Version lustigerweise noch auf Hannes Server einsehbar. Nun konnten sich Freelancer “bewerben” – das heißt, auf Basis von transparenten Kriterien stimmten wir als Team wöchentlich darüber ab, wen wir aufnehmen.
Unsere klaren Qualitäts-Kriterien und das Feedback, warum diese noch nicht erfüllt werden, sahen wir als Chance zum Wachsen. Das gelingt manchmal, wie dieser Blogbeitrag von Gudrun zeigt. Manchmal erhalten wir auch nur wilde Beleidigungen, wenn das Ego mit solcher Rückmeldung nicht so gut umzugehen wusste. Ich merke, wie das Ding langsam abgeht und denke darüber nach, potentiell mit zu gründen. Mein Commitment steigt bei gleichzeitigem Klarheit, für diese Sache definitiv nochmal nen Jahr auf quasi alles verzichten und mich voll reinknien zu müssen. Das zeigt sich zum Beispiel in psychischem Stress, der dazu führt, dass ich ein Event in Hamburg nicht mitmachen kann, weil mein Rücken mich ohne Spritzen nicht mehr laufen lässt.
Menschen kommen und gehen, aber ich werde die Nummer 2
NOOK NAMES hatte über die Jahre 47 Unterstützer*innen mit wechselndem Kernteam und der andauernden Überlegung, wer das Ding gründet, ob es überhaupt was zu gründen gibt bzw. ob ein Verein oder eine Genossenschaft nicht der sinnvollere Weg sein könnte. Spoiler: Rückblickend würde ich das so sehen.
Was machen all die Menschen? Am größten waren definitiv immer die Orga-Teams in den jeweiligen Städten. Aber auch die Kommunikation mit Blog und diversen Gastblogger*innen, Marketing, Produktentwicklung, Social Media, Newsletter und Texten hielten uns auf Trab – vor allem mich, der sich als Schnittstelle verstand und versuchte, eine gewisse Einheitlichkeit zu erzeugen. Dann gab es noch Menschen, die Videos drehten, Design, Code, Orga, Vertrieb und einiges mehr. Wir bildeten aus Dankbarkeit später alle Unterstützer*innen als Teil des Teams auf unserer Plattform ab. Phil liebte es definitiv Menschen für unsere Sache zu begeistern. Und sprang diese Begeisterung über, machten Menschen auch gerne mit. Es war leicht, an diese Sache zu glauben. Und es war mir eine große Freude auf dem Weg so viele tolle Menschen kennenzulernen und von ihnen zu lernen. Was ist stärker als eine Gruppe von Menschen, die an eine Sache glauben? Und die übrigens häufig auch als erste vermittelt wurden – wir haben vielen unserer Supporter*innen zahlreiche Stammkundin*innen beschert.
Auf diesem Weg gab es einige Konstanten wie Hannes und Silke (siehe Bild oben), aber auch andere, die gerne mitgründen wollten, aber selbst nicht unbedingt in’s Machen kamen. Oder nochmals andere, die wir unbedingt wollten, aber die dann doch lieber zu Google oder Coca Cola gingen. Irgendwie verständlich, wobei gerade diese beiden Ladies wohl viel hätten beitragen können, dass wir als Unternehmen nochmal ganz anders hätten funktionieren können. Gleichzeitig: Wir waren nicht so weit. Wie könnten wir da volles Commitment erwarten?
Überhaupt. Das Wir. Phil war der Initiator und die Source. Ich verkörperte die Kontinuität und den Wunsch nach Struktur. Nach und nach bekam ich auch die Zugänge zu Social Media oder der info@-Mailadresse. Ich schob meine Projekte wie die neue Website, die Kommunikation oder die Professionalisierung der Events an. Das war schön und gleichzeitig unangenehm, denn eine Entwicklung des Kollektivs in Richtung Business hat definitiv einiges an Schönheit zerstört.
Erklärbär, der sich selbst abschafft
Von Anfang an war es meine Rolle, Fragen im Sinne der Klarheit unseres Projekts zu stellen. Weg von der Idee, rein in die Umsetzung. Und klar, da zieh ich mir natürlich nen gelbes Bärenkostüm an und mach den Erklärbär. Alles andere wäre Quatsch, oder?
Die Tätigkeit als offizieller Erklärbär war nur ne kurze Episode. Zwei Events, ein halbes Jahr ein Profil auf Facebook. Wir waren dann relativ schnell so weit, dass es nicht immer noch ne persönliche Erklärung brauchte, um unsere Sache rüber zu bringen. Doch als ich angefangen habe, standen überall verschiedenste Definitionen und die Hauptfrage war: Hä, was wollt ihr nochmal machen? Die Tätigkeit als Erklärbär war in unserem Kosmos ein logischer Gag als Antwort auf diese Fragen. Und einer, der Aufmerksamkeit zog und mir auf den Events viele Streicheleinheiten bescherte. Schöne Sache!
Als noch schöner empfand ich es dann jedoch, als sich eine gewisse Klarheit einstellte: Wer sind wir als Projekt, Marke und potentielle Firma? Wofür stehen wir jetzt und wo wollen wir hin? So entwickelte sich eine Corporate Language passend zum Corporate Design, das sich in Event, Website, Newsletter und gesprochenem Word wiederspiegelte. Das war möglich, weil ich gewisse Logiken – von NOOK NAMES bis hin zum Geschäftsmodell – immer mehr vereinheitlichte. Es wurde langsam, in- und extern, klar: Die Events sind nice als Community-Building und wir haben da auch Bock drauf. Aber wir haben noch viel mehr vor!
Entbärungen, Idealismus & €€€
Nach wenigen Monaten mit der neuen Website, hatten sich bereits über 400 ausgewählte Freelancer bei uns angemeldet, viele davon natürlich über die bisherigen Event-Kontakte kommend. Wir diskutierten hochtrabende Geschäftsideen, während ich gleichzeitig unterhalb der Armutsgrenze lebte, weil ich selbst nicht konstant genook als Freelancer aktiv war.
Eine Geschäftsidee, der wir beispielsweise nie nach gingen, war die klassisch-offene Suche, wie wir sie von Google oder auch Amazon kennen. Gewünschte Kontakte könnten dann für 50€/Kontakt oder via Jahresbeitrag freigeschaltet werden. Mir ging es zu der Zeit stark darum, dass wir die reale Mittlerrolle möglichst schnell automatisieren, weil “das ist kacke und aufwendig”.
Der Idealismus wie auch die Entbehrungen spiegeln sich auch in unserem Imagefilm, an dem sechs Menschen im Prinzip das ganze Jahr 2014 immer wieder gearbeitet haben. Wäre die Arbeitszeit halbwegs fair bezahlt worden, wäre das Budget, wie wir im nachhinein mal hochgerechnet haben, in Richtung 20.000€ gegangen. Weil wir die nicht hatten, zieht es sich, die Energie ist irgendwann etwas weg und der Go Live ist nicht so durchdacht, wie es so einem großen Projekt eigentlich angemessen wäre. Das Video ist zu lang geworden, mit vielen zu verwinkelten Elementen und das virale Konzept hat, auch deswegen, leider kaum funktioniert. Trotzdem war es ein wertvoller intern-inhaltlicher Prozess und nach außen wiederum vielfach ein Türöffner. Danke an alle, die das mitgemacht haben; insbesondere Holger und Willy.
Während Freunde und Bekannte in ihren 20ern Karriere machen, tobte ich mich also kreativ aus – und entfremde mich dabei vielfach von den Horizonten vieler. 2015 stelle ich in dem Chat fest, wie emotionslos ich gerade bei der Sache bin und wie viele Entbehrungen mein Leben gerade kennzeichnet. “Aber du gehst doch deinen Weg!” Wirklich? Es hat sich etwas so ergeben und ich habe nie nein gesagt. Das machen auch andere nicht, deren Türen sich trotzdem nicht öffnen. Mein Ex-Chef liked zum Beispiel auf einmal meinen Beitrag über das Ende des Erklärbärs, antwortet aber nicht auf die Anfrage das Imagevideo zu teilen, obwohl er der perfekte Multiplikator gewesen wäre.
2016 stellte ich fest, dass diejenigen, die sich nicht für mein Startup interessieren, inklusive meiner Eltern, gerade kaum mehr einen Platz bei mir finden. Was hart klingt, fühlte sich für mich auch umgekehrt so an: Wie kann man mir das Gefühl geben wollen, dass ich wichtig für sie bin und sich dann nicht für mein Baby interessieren?
Ende 2016 wiederholte sich das Trauerspiel in der Reflektion: Ich bin der Kerl, der von der Hand in den Mund lebt. Nichts auf der Seite lebe seit vier Jahren unter der Armutsgrenze bzw. eig schon immer, seit ich ausgezogen bin, mit Ausnahme von sechs qualvollen Monaten als festangestellter Werber. Anfang 2017 wollte mein Vormieter seine Couch, Waschmaschine und Kronleuchter wieder und ich kann trotz aktueller Erfolge nicht locker flockig nachrüsten. Nach kurzer Überlegung ihn zu ghosten, lies ich ihn wesentliche Stücke meiner Wohnung ausräumen, ohne für gleichwertigen Ersatz sorgen zu können.
2015: Geld & Liebe führen zur Beta-Version unserer Plattform
Das Jahr startete mit dem Gefühl einer wunderbar-lustigen Weihnachtsparty mit dem Team in der Treptower Klause. Danach zogen Hannes, Phil & ich noch auf ein paar Vodka weiter – kleine Eskalation inklusive. Anfang des Jahres konnten wir außerdem niedrigschwellig eine Bekannte für eine Stop Motion Produktion für Rewe vermitteln. Wir erhalten für 2-3 Anrufe und Mails 500€ Vermittlungsprovision, die sie uns gerne für unsere Akquiseleistung abgibt. Damit ist der Rahmen für 2015 schon mal ganz gut anskizziert: Emotion, Absturz und die Suche nach der Finanzierung.
Es ist das Jahr, in dem wir endlich das langen im Raum stehende Crowdfunding durchziehen. Und krachend scheitern. Wir arbeiteten für die Umsetzung nicht mit der Beraterin Anja Thonig zusammen, weil Phil voll auf Startnext setzte – von denen wir letztlich keinerlei Unterstützung erfahren und bei denen, ganz entscheidend, zum damaligen Zeitpunkt keine Paypal-Zahlung möglich war. Wie so oft liegt in diesem Misserfolg auch wieder eine Chance: Denn auf einmal spricht die halbe Branche über unsere Kampagne “Gegen Kreativprostitution” und die Forderung nach einem Mindesttagessatz von 300€. Werben & Verkaufen, Horizont und viele weitere berichten. Besonders herausheben möchte ich diesen schönen Artikel im Mice Club-Magazin, den ich auch heute noch gerne lese. Auf diese Kampagne folgen weitere Anfragen und einige händische Vermittlungen basierend auf einer noch nicht darauf ausgerichteten Datenbank.
Prekäre Utopie muss sich so langsam mal rechnen
Wir waren faszinierend von diesen Entwicklungen. Gleichzeitig schwangen die Zweifel immer mit, weil konkret noch viel zu wenig ging, ja auch unser Geschäftsmodell noch immer nicht ansatzweise stand. Unser Selbstverständnis zum Crowdfunding entwickelte sich langsam in diese Richtung: “Wir sind die Jungs mit dem großen Netzwerk, die so dreist waren, daraus auch ein Business zu machen. Wir sind wie dein bester Geschäftspartner, den du nach dem richtigen Kontakt fragst. Kostenlos, persönlich, freundschaftlich, schnell und mit Fokus auf Vertrauensbildung. Nur haben wir das connecten professionalisiert.”
In Worte fassen konnten wir das erst ein Jahr später. Doch angefeuert von ersten Vermittlungserfolgen und gewonnenen Sponsoren denken wir vermehrt, dass das Projekt bald abheben könnte. Abheben heißt erstmal ganz bescheiden: 1. Wir können davon leben und 2. unser Startup wird natürlich das nächste große Ding.
Ein dauerhafter Streitpunkt waren dabei die Events, die Phil sehr stark in Anspruch nahmen, aber nicht unbedingt zum Abheben beitrugen, ja finanziell einfach Quatsch waren. Allerdings sind sie auch der emotionale Anker der Community. Ich hatte sie finanziell sauber aufgeschlüsselt und so re-strukturiert und standardisiert, dass wir ohne Sponsoren keinen Verlust machen und mit Sponsoren sogar einen kleinen Gewinn – selbstverständlich ohne bezahlte Arbeitsstunden für uns. Aber zuvor hatte Phil immer ein paar hundert Euro aus eigener Tasche in die Events investiert.
Das vielleicht wichtigste für unser Projekt waren die Coworking-Space internen Kräfte, die wir durch unser Crowdfunding aktiviert hatten. Das Entwicklerduo Rico und Mario glaubte nämlich inzwischen auch an unsere Sache und an uns – und sie waren gerade etwas zu sehr von einem Auftraggeber abhängig und wollten gerne diversifizieren. Also erklären sie sich im Herbst bereit, die Beta-Version der Plattform im Gegenzug für Empfehlungen zu programmieren. Die Idee war inzwischen so weit gereift, dass wir Auftraggeber*innen kostenlos binnen 72h drei Vorschläge von verfügbaren Freelancer*innen liefern wollten und bei Zustandekommen des Auftrags 10% Provision vom Freelancer nehmen. Dafür brauchten wir eine darauf ausgerichtete Datenbank und eine entsprechende Suchmaske für die Auftraggeber*innen. Der Prozess fühlt sich wie das ganze Projekt an: Es wird krass, aber es zieht sich mega und ist viel zu anstrengend. Im November waren wir endlich so weit, unsere ausdefinierten Anforderungen an die Datenbank und die Frontend-Designs an die Programmierer zu übergeben.
Zudem wollte ein anderer Co-Worker, ein High-Level Infografik-Freelancer, uns als Business Angel unterstützten, nachdem er das Projekt inzwischen auch schon über zwei Jahre intensiv und freundschaftlich begleitete. In einer Nacht- und Nebel-Aktion entwarf ich einen Dreijahresplan, den Phil und ich über ein paar Wochen weiterentwickelten und Ende Dezember abgaben.
Während all das läuft, bricht mir das Herz, ob der eigenen Unfähigkeit. Wir haben es verkackt, die Suchmaske in sinnvoller Weise umzusetzen. Wir wollen eine Matching-Plattform sein und arbeiten als letztes die Suche aus. Dabei hätte die Datenbank von der Suche her strukturiert werden müssen! Im Prozess meinten alle, es wäre relativ egal. Egal, was da der Inhalt ist, es sind nur Spalten. Die kann man wegmachen und hinzufügen, wie man will. Jetzt droht die Gefahr, dass zu viel am Sinn und den Zielen vorbei entwickelt wurde. Der ganze Stress beschert mir über das Jahr hinweg einen Bandscheibenvorfall und mehrere Schüttelfrostanfälle. Warum, das wird wohl im nächsten Kapitel klarer, das sich dem widmet, was während dieser Zeit zwischenmenschlich (schief) lief.
Die durch Reibung erzeugte Wärme kostet Energie
Relativ früh im Jahr kam die Idee auf, dass Phil und ich mal aufschreiben, was wir jeweils über den anderen wissen sollten, insbesondere was wir an den jeweiligen Verhaltensweisen des anderen als problematisch empfinden. Wie so eine Selbst-Paartherapie, nur mit weniger Emotionen. Die Hoffnung war, dass, wenn wir wissen, was den anderen auf die Palme bringt, man das jeweils eher erkennen kann oder der andere leichter und dezenter darauf verweisen kann.
Die viele Zeit, die wir auf Basis der Sache, nicht auf Basis von tiefer Freundschaft, miteinander verbrachten, rückten, wie das wohl oft so ist, die Unterschiede von uns beiden in den Mittelpunkt. An teils divenhaftem Verhalten nahmen wir uns beide nicht viel.
Ich vermisste vor allem so eine gewisse Reflexion-Ebene. Sei es, dass er manchmal total dicht macht und nicht zuhört oder wichtige, struktur schaffende Themen vermeidet. Er macht worauf er Lust hat oder struggelt mit psychischen Themen. Er bewertet Dinge aus (s)einer verengten Perspektive und sieht nicht, warum andere Menschen Dinge aus ihrer Sicht gut gemacht haben. Ein situatives JA nach einer langen Diskussion muss für das Follow Up in der Woche darauf gar nichts heißen. Es sind diese Extreme, die zehren: Entweder, wir sind das nächste große Dinge oder all unsere Mühen bringen eh alle nix.
In der Vorbereitung zum Crowdfunding im Mai 2015 dann der große Bäng mit Phil durch einen fünfzehnminütigen Monolog darüber, wie scheiße ich bin. Wir kamen mit den Texten nicht weiter, weil er alles schlecht und mich zu sensibel und wenig kritikfähig empfand. Bei ihm trafen psychische auf private Probleme, die ich hier nicht weiter ausführen möchte. Noch während ich das Erlebte aufschrieb, kommt eine Nachricht von ihm: “Das mit dem gestört sein tut mir leid, nehm ich zurück, war nicht in Ordnung, kam einfach raus.” Ich merkte, dass eine Grenze überschritten wurde, während wir gleichzeitig in der Sache so weit sind wie noch nie. Sogar das nächste Event wird dank Sponsoren ein vierstelliges Plus bringen. Gleichzeitig ist es immer wieder solch ein Verhalten, mit der er Wegbegleiter*innen vor den Kopf sties.
In den Wochen darauf kocht vieles hoch: Wie könnten wir miteinander arbeiten, ohne viel miteinander zu arbeiten und will ich das überhaupt oder brauche ich nicht diesen Austausch? Mein kommunizierter Rückzugsimpuls über den Zeitraum von einer Woche wird von ihm zunächst mit einem Stopp aller Aktivitäten akzeptiert. Zwei Tage später kommt ein Anruf, auf den ich nicht reagiere. Er drängt mich in ein Gespräch, um die Sache aus der Welt zu schaffen. Ich gebe ihm nochmal meine wichtigen Punkte zu Bedenken:
- Du hast mich am Samstag 15 Minuten massiv persönlich beleidigt. Das steht im Raum.
- Mich hat noch nie jemand so unterhalb der Gürtellinie beleidigt. Ich fühl mich seitdem wie im falschen Film.
- Davon brauche ich erstmal Abstand. Sonst endet es wirklich böse.
- Ich bin nicht Schuld an der jetzigen Situation und habe das in keiner Weise gewollt oder provoziert.
- NOOK geht es gut wie nie, ich hoffe du willst das genauso wenig riskieren wie ich.
- Ich bin nicht dein Therapeut. Ich achte als erstes auf NOOK, dann auf mich und dann auch auf dich und das Team.
- Meine größte Angst in der Zukunft von NOOK ist es, wie du mit unseren Mitstreiter*innen umgehst. Siehe Name a, b und c…und jetzt auch mir.
- Lass uns beide nochmal über unsere Fehler nachdenken. Ich habe auch einiges nicht richtig gemacht.
In der Folge organisiere ich über Kontakte einen Mediator, der uns kostengünstig annehmen würde. Das will Phil nicht. Für ihn hat NOOK nun erstmal keinen Vorrang mehr. Er verschiebt auch den angepeilten Tag zur Aussprache: “haben ja kein Stress mehr.” Ich versuche klarzustellen, dass wir in der beruflichen Sache keine gravierenden Differenzen haben, sondern es “nur” in der persönlichen Beziehung und die Art der Zusammenarbeit hapert. Ich schreibe: “Klären wir das, wird NOOK erfolgreich. Aber das schaffen wir aus der jetzigen Situation heraus nicht. Weil wir beide auf (zurecht) auf unsere Position achten müssen. Da kann nur ein externer die Brücke schlagen. Ich glaub du weißt gar nicht, wie viel du bei mir kaputt gemacht hast.”
Das nicht darauf eingehen, empfinde ich damals als Angst machen. Aber auch die Idee, dass er jetzt mit der Sache abgeschlossen hat, machte mir Angst. Heute würde ich sagen, er hat in dem Moment so empfunden – eine Momentaufnahme. Es war affektiv-unbewusste Rache für mein Bedürfnis nach Abstand. Ich werde erstmal krank mit massiv erhöhten Entzündungswerten.
Und dann treffen wir uns zu dem von ihm gewünschten Tag ohne den Mediator. Man kann ihn ja nicht zwingen. Mich anscheinend schon. Das Gespräch ist nicht weiter erwähnenswert. Zitat auf Nachfrage im Chat: “Geht weiter, haben viel geredet und bla”
Die durch Reibung erzeugte Wärme kostet immer wieder Energie und bleibt Thema. Im Herbst 2015 war ich wieder mal eine ganze Woche krank und bin aufgrund von Kreislaufproblemen zusammengebrochen. Im Dezember datete ich eine Beraterin. Sie meinte, bei ihrer ersten Gründung sei auch alles sooo anstrengend gewesen, weil ihre Partner zu unterschiedlich waren. Jetzt läuft alles rund, sie verstehen sich blind. Daran muss ich immer wieder denken. Zum Jahresausklang versuchte ich mich auf die positiven Aspekte meines Geschäftspartners zu besinnen, tat mir aber sehr schwer.
Ein Beispiel aus dem September verdeutlicht einen Aspekt, der mich so gestresst hat: Phil schreibt eine Mail, schreibt zwei Minuten später eine Whatsapp, dass er eine Mail geschrieben hat und ruft fünf Minuten später an. Ich rasiere mich gerade und bekomme nix mit. Zwölf Minuten nach der Mail rufe ich zurück. Reaktion: Ist egal, hab ich jetzt schon entschieden.
Ende 2016 lässt Phil sich dann doch auf eine Mediation ein. Wir gehen zu der Person, die es 1,5 Jahre zum Einstieg in seine Selbstständigkeit noch für umsonst gemacht hätte und bezahlen ihm Geld, das wir selbst gut brauchen könnten. Es fühlt sich an wie eine lange Beziehung. Man kennt sich, will sich nicht ändern aber eigentlich läufts halt scheiße. Der Erfolg als Unternehmen ändert nichts daran, dass wir nicht wirklich miteinander können. Mir fehlt seine Beziehung zu realen Business-Aspekten, die wir selbstbewusst gestalten können. Vielleicht wollte er nie ein Unternehmen aus seinem Baby machen? NOOK NAMES war schließlich eigentlich eine Idee seines Businessplans als Fotograf, um bekannter zu werden. Hat an sich geklappt, auch wenn wir unser Netzwerk kaum für eigene Akquise nutzen.
Ein Streitbeispiel, das wir in der Mediation ausführlich besprochen haben, war Phils Vorwurf am Tag nach dem letzten Event, ich würde beim Aufbau nix machen. Eigentlich war er vor allem damit unzufrieden, dass er seine Vertriebsziele mit dem Event nicht erreicht hat. Dann geht er völlig unvorbereitet in unser Nachbereitungs-Meeting dazu. Meine Rückfragen und der Drang, über Vertrieb hinaus zu denken, führen dazu, dass er beim Mediator anspricht, ich würde ihn manipulieren, wohlwissend, dass das in meiner Vorgeschichte schon einmal ein Vorwurf war, der mich hart getroffen hat. Ich erkläre ruhig, dass ich für Argumente empfänglich bin und inzwischen auch soweit bin, nix durchzudrücken, nur weil ich JETZT die besseren Argumente auf meiner Seite habe. Ich zweifle immer wieder krass an mir selbst im Umgang mit Phil: Was ist Realität und was lässt sich hier wer von wem einreden?
Spoiler: Unser Konflikt war letztlich nicht kittbar und der Anfang vom Ende. Da half es später auch nicht mehr, dass das Ende des Prekären am Horizont sichtbar war – wir konnten und wollten nach der intensiven, jahrelangen Vorgeschichte keinen konstruktiven gemeinsamen Schritt mehr vollziehen.
Hannes geht und das Gleichgewicht verschiebt sich
Hannes war ein wesentlicher Faktor für die Idee von NOOK NAMES und für mich persönlich als Bezugspunkt. Wir sind heute noch Freunde und arbeiten auch weiterhin zusammen. Doch irgendwann ging es im Team nicht mehr, dem er mit seiner Art immer viel gab. Hannes war schon länger unzufrieden mit der sich seiner Meinung nach zu langsam schließenden Lücke zwischen Vision und Realität. Tatsächlich war er aber auch derjenige, der sich am stärksten für die Vision einsetzte, nicht unbedingt für die Realisierung.
Schon einige Design-Prozesse waren 2015 und auch schon davor eher holprig abgelaufen, sodass Phils Cousine Denise wieder mehr übernahm. Phil, der auch mit Hannes befreundet war, distanzierte sich immer mehr. Die Kommunikation lief häufig über mich. Eine für alle Seiten unbefriedigende Zwickmühle, die sich hochschaukelte, als wir potenziellen neuen Entwicklern gegenübersaßen. Hannes spielte sich auf, als wäre er NOOK NAMES. Phil und ich waren auf einer Linie, die ich am Tag zuvor noch mit Hannes abgesprochen hatte.
Phil wollte ihn auch zuvor schon loswerden, ich hatte nach diesem Treffen, das die Entwickler auch vergraulte, keine guten Argumente mehr auf meiner Seite. Er hatte mich in der NOOK-Sache einmal zu oft enttäuscht, nach zahlreichen Verspätungen, nicht eingehaltenen Deadlines und großen Forderungen, ohne sich ausreichend an der Umsetzung zu beteiligen. Also schmiss ich ihn raus. Einer der härtesten Moves meines Lebens.
Und gleichzeitig plagte mich mein Gewisse nicht allzu sehr. Denn Hannes war derjenige, der über NOOK NAMES mit Abstand die meisten Aufträge akquiriert bzw. von mir vermittelt bekam – auch noch nach der Trennung. Hier haben wir seine Erfolgsgeschichte nacherzählt: Hannes Erfolgsgeschichte
2016: Zwischenmenschliches frisst Business zum Frühstück
Das Jahr startete mit der Business Angel-Zusage und der einhergehenden Gründung einer Unternehmergesellschaft (UG) formidabel und hatte weitere Höhepunkte parat. Heraus sticht neben den vielen sich öffnenden Türen der go live unserer Plattform Beta-Version im Mai. Das Suchformular ermöglichte mir basierend auf einem feinen Briefing-Formular easy aus unseren rund 1.000 Kontakten zu suchen. Lieblingsfeedback aus der Community: “Die neue Seite ist so schön, ich brauche keine Pornos mehr.”
Während wir im ersten Jahr als eingetragenes Unternehmen rund 25.000€ Umsatz machten, meine Kommunikationsstrategie griff und sich Türen zu wertvollen Partnerschaften öffneten, bekam die Zusammenarbeit von Phil und mir immer mehr Risse. Er ist die Quelle einer genialen Idee, um die herum sich nie ein nachhaltig funktionierendes Team fand.
Meine Kommunikationsstrategie
Was ich in der Theorie immer machen wollte, konnte ich bei meiner eigenen Firma aus einer Hand umsetzen: Social Media, Newsletter und Blogs gehen Hand in Hand mit der Corporate Language auf der Website und den Events. 2015 hatte sich unsere Fanzahl auf Facebook auf knapp 1.000 verdoppelt, der unsere Fachkompetenz demonstrierende Blog erreicht nach wenigen Monaten 1.000 Unique Visitors pro Monat und hunderte Kreative haben, durch die Option bei der Anmeldung, unseren monatlich erscheinenden Überblicks-Newsletter abonniert. Als die zweit meist genannte Quelle für neue Freelancerbewerbungen wird Facebook genannt.
Facebook sorgt dafür, dass wir im Gespräch bleiben. Man sieht: Es passiert was. Insbesondere Events sind perfekt dafür geeignet. Wir hatten immer Fotografen am Start und taggen die Gäste. Wir machten immer Fotos, wenn wir bei Kunden waren, pflegten eine Testimonial-Zitate-Reihe, veröffentlichten Presseberichte und bloggten regelmäßig über aktuelle Trends. Der NOOK NAME des Monats wird mit einem Standard-Interview und Referenzen im Blog gespielt und zieht schon mal mittlere dreistellige Unique Visitors in einer Woche. Vor allem aber sind diese Beiträge nachhaltig. Denn die Freelancer werden zwar nicht besonders häufig, aber dafür immer wieder gesucht und unsere Porträts landeten fast immer auf Google-Seite 1. Regelmäßige Gastbeiträge runden das Bild ab.
Mehr Facts zu dem Thema habe ich in meiner Casestudy hier zusammengetragen: https://creativeconcept.biz/kunde/nook-names/
Phil lies jedoch unsere Außenwirkung und was sie bewirkte relativ kalt. Er schien den Wert darin nicht zu sehen, auch wenn ich ihm konkrete Zahlen vorlegte.
Netzwerken: Comatch, Samwers, FAZ & größte Branchenplayer
Dabei ist es vor allem unsere sich etablierende Marke, die uns Türen zu Netzwerken und potentiellen Kooperationspartnern öffnet. Einige Beispiele:
- Das Crowdfunding hatte im Nachhall einen Redakteur der deutschen Welle auf uns aufmerksam werden lassen, der selbst als Freelancer unter unserem Mindesttagessatz bezahlt wurde. Durch die Contentpartnerschaft mit der FAZ wurden wir auch dort unter dem etwas verwirrenden Titel “Lohndumping in der digitalen Wirtschaft” gefeatured.
- Wir trafen einen der beiden Gründer von Comatch, die lustigerweise sogar zusammen in einer WG wohnten. Sie machten im Prinzip dasselbe wie wir, nur für den Berater*innen-Markt. Die Ex-McKinseys hatten durch ihre optimalen Prozesse und Kontakte jedoch gerade fünf Millionen eingeworben – dabei waren die zentralen Kennzahlen wie Anzahl der Freelancer*innen, Kund*innen-Anfrage und potentielle Umsätze auf Augenhöhe. 2022 wird Comatch für einen satten Millionenbetrag an die internationale Freelancerplattform Malt verkauft, wie u.a. hier, hier und hier dokumentiert wurde.
- Wir erhalten eine Anfrage vom durch Alexander Samwer mitfinanzierten Picus Capital, die in europäische Ventures mit dem Fokus auf PropTech/HRTech/FinTech und Online Modelle investiert. Sie fänden unseren Markt und unser Geschäftsmodell spannend. Mein Kommentar im Chat: Ich freue mich schon darauf, denen abzusagen. Nach erstem Kennenlernen, das wie ein abhaken einer Checkliste funktioniert, kommen sie uns allerdings zuvor: Der Markt sei nicht vielversprechend genug: “Wir glauben erst wirklich an diesen Markt, wenn mal ein signifikantes Volumen an Personen / EUR Umsatz über eine Plattform wie eure generiert wird.” Unser Wachstum wäre zu zeit- und kostenaufwendig. Gleichzeitig demonstriert er seine Unkenntnis des Marktes: “Ich finde es ja ganz spannend, dass bei euch nicht alles über CVs läuft.”
- Nachdem wir monatelang bei vielen der führenden Agenturen zu Gast waren, wurden wir von einem der einflussreichsten Branchen-Dachverbände der Szene eingeladen. Genauer: Dem Geschäftsführer. Mein Kommentar im Chat hinterher: “Vermutlich der arroganteste Wichser, den man sich vorstellen kann.” Thema des Meetings war eine Kooperation. Er nutzte es jedoch zur reinen Selbstdarstellung und als Verkaufsgespräch für Dinge, die wir uns niemals leisten konnten und wollten. Da wurde der schlechte Ruf mal wieder bestätigt. Eine Tür, die nur ganz kurz aufging.
- Linnart und Tine von Studio Good und Martin Permantier von short cuts traffen und sprachen regelmäßig mit uns und coachten uns bei einigen schwierigen Fragen wie dem Geschäftsmodell und Plattform-Struktur.
- Wir gewannen drei Sponsoren für unsere Events: die Agentursoftware QuoJob, die Versicherung exali & die KSK-Experten von DMKB.
Das Zusammenspiel aus Phils Vertrieb und meiner Vermittlung
Ich verstand die Kommunikation mit den Freelancer*innen suchenden Agenturen damals nie so ganz. Eine Nuss, die sich nicht knacken ließ. Einmal wird nen Kumpel vom Chef besetzt, ein andermal werden unsere Kandidat*innen gar nicht angeschaut, das Timing verschiebt sich hart oder der Job wird doch gar nicht besetzt oder intern. Ich fragte mich dann jedesmal, warum wir überhaupt angefragt wurden. Denn klar: Es ist normal, dass Freelancer*innen intern bzw. über bestehende Kontakte besetzt werden. Wir wollten eigentlich dann helfen, wenn das nicht klappt. Oft genug klappte das auch total gut und wir konnten schnell gute Leute vorschlagen, die auch gebucht wurden. Was jedoch als Lernen für die Automatisierung gedacht war, blieb häufig Stückwerk.
Phil brauchte eine Weile, um konsequent Vertrieb zu machen. Er probierte einiges aus und generierte tatsächlich eine Vielzahl von Anfragen. Unsere Vorstellungen gingen jedoch weit auseinander, wenn es um den Fokus des Vertriebs ging. Während Phil immer mehr und neue Kontakte akquirieren wollte, argumentierte ich, dass die Kund*innen, die unseren Service schon genutzt haben, viel einfacher wieder zu aktivieren sind. Klar: Es braucht beides. Aber bei begrenzten Ressourcen ist der Fokus schon eine wichtige Frage. In der Folge machte ich Phils Job mit und erreichte mit wenigen Vertriebs-Stunden mehrfach mehr Anfragen, als er mit seiner ganzen Arbeitswoche. Das frustriert. Beide. Mich frustriert es auch, Anfragen zu erhalten, für die ich kaum passende Vermittlungsvorschläge liefern kann – hätte ich es geschafft, jeden angefragten Job der letzten vier Wochen zu vermitteln, hätten wir eine Provision von über 22k abgestaubt. Wir sind also bereits Ende Q2 beide frustriert und tendenziell überfordert. Doch anstatt uns gegenseitig zu stützen, ist die Stimmung oft gereizt, der nächste Vorwurf oft nicht weit entfernt. Dabei waren wir beide auf der Suche nach Wertschätzung und Anerkennung, die wir als Kinder zu wenig bekommen hatten.
Im Juni schrecken mich neue Vertriebszahlen auf: Phil hat in 14 Wochen nur 57 potenzielle Auftraggeber erreicht – also solche, mit denen wir mindestens eine Minute über NOOK NAMES sprachen und im Anschluss mehr Infos zukommen lassen. Ich habe so nebenbei in der Zeit 30 erreicht und schaffe in einer Stunde ca. drei. Trotzdem schaffen wir im Sommer drei Monate in Folge mindestens 4.000,00€ Umsatz. Ich erinnere mich heute noch gerne daran, wie wir auf der DMEXCO in Köln waren und ich den Anruf einer Personalerin einer führenden Design-Agentur bekam, dass sie die Zusammenarbeit mit Christoph Reichert nun eingetütet haben (Christoph traf ich 2023 für ein anderes Projekt wieder und er bedankte sich mit einem “war ein gigantischer Türöffner für mich damals”): 2.000€ mit einem Anruf. Wenn sich diese Arbeit noch automatisieren ließe… doch selbst hier kam kein gemeinsamer Erfolgsmoment auf. Während sich NOOK NAMES als Serviceplattform langsam etabliert und ich mich als Vermittler halbwegs wohl fühle, ärgere ich mich gleichzeitig über Anfragen mit 13€/Stundensatz (was eigentlich gar nicht gehen sollte), für SEA, was wir nicht anbieten oder für lose Anfragen zum Aufbau eines Freelancer-Pools. Im Rückblick und mit dem gebührenden Abstand würde ich heute sagen: Hätten wir nur ne konstruktive, empowernde Kommunikation hin bekommen… haben wir aber nicht 🙁
2017: Aufstieg, Ausstieg und Ausblick
2017 beginnt direkt mit zwei erfolgreich vermittelten Jobs, unser Konto ist voll wie nie, wir nähern uns den 1.000 handverlesenen NOOK NAMES. Doch der Businessseitige Erfolg fühlt sich trügerisch an. Zum Jahresausklang sprachen wir ein paar Wochen nicht, nachdem Phil verkündete, dass ich in seiner Vision der Firma eigentlich nicht vorkomme. So wurde 2017 nicht das Jahr, in dem wir uns endgültig etablieren und den nächsten großen Wurf vorbereiten, sondern das, in dem ich ausstieg und sich Türen für einen großen Neuanfang öffnen.
Businessmäßig läuft’s, eigentlich
Jede Woche meldeten sich Dutzende Freelancer und wollen dabei sein – wir hatten offensichtlich die Relevanzschwelle überschritten. Auch auf der Akquise-Seite tat sich was. Inzwischen hatten wir 260 Auftraggeber*innen, die zumindest grundsätzliches Interesse an unserem Service bekundeten. Wir machten in den ersten 1,5 Jahren seit offizieller Gründung über 30.000 Umsatz durch Vermittlungsprovision und Sponsoren – bei einem angefragten Projektvolumen, das in die Millionen ging. Wie wäre es wohl gewesen, wenn wir konstruktiv zusammenarbeiten würden?
Ein Ableger von Deutschlands wichtigster Agentur suchte aufgrund einer neuen Personalerin erstmal bei der Konkurrenz, konnte aber dank einladender Nachfrage meinerseits zurückgewonnen werden. Sie suchten auch wieder bei uns. Es blieb die Frage: Wie finden Freelancer*in und Auftraggeber*in am besten zueinander? Bettertalk.to, die auch heute noch am Start sind und deren wir Gründer wir mal auf 2-3 Drinks getroffen haben, gaben damals einfach Raum für Gesuche und präsentierten Freelancer*innen. Das war etwas fies für uns, weil sie ohne Geschäftsmodell scheinbar auch das Problem lösen konnten. U.a. deswegen veröffentlichte ich FAQs in der Hoffnung, immer wiederkehrende Fragen zu unserem Modell und den Vorteilen vorab auch denen zu beantworten, die vielleicht eher abspringen, anstatt die Frage zu stellen. Das Kollektiv von Bettertalk.to hatte allerdings den Vorteil durch die eigene Arbeit schon gut in zahlreiche Agenturen verankert zu sein. Wie bauen wir eine Stammklientel, wenn Phil den Fokus des Vertriebs auf Neukund*innen legt?
Mein Alltag ist geprägt von dem Gefühl, dass ¾ der akquirierten Auftragsanfragen schon mal sicher nicht zustande kommen und Tausend-Euro-Umsatz-Telefonaten. Ich hake nach, nachdem eine von uns empfohlene Freelancerin bei einer großen Agentur zum Kennenlernen war. Das war ein “keine 1000€ für euch” Anruf. Dann ruft ein Freelancer auf meine Nachfragemail aus dem Krankenhaus zurück und erklärt, dass er mir natürlich noch meine Provision überweist. War mir sehr peinlich. Gleichzeitig stoppe ich einen von Phil angebotene, frühzeitige Überweisung an unseren Business-Angel, dem eine Umsatzbeteiligung zusteht. Aber eben immer nur am Ende des Quartals für die drei Monate davor. Bad Cop Jonas. Und dann wird im Beziehungsmanagement mit einem unserer Sponsoren wieder der Good Cop benötigt. Phil hatte sie in einem Gespräch so verunsichert, dass sie die geleistete Zahlung, obwohl ⅓ der versprochenen Leistung schon erbracht wurde, wieder zurück haben möchten. Die Anfrage, ob sie potentielle Investoren kennen, weil er NOOK NAMES allein weiterführen will, haben sie wohl in den falschen Hals bekommen. Im beschwichtigenden Telefonat mit dem Geschäftsführer erfuhr ich, dass es sich so anhörte, als ob unser Startup sich auflösen würde.
Neulich im Telefonat bzgl. eines Motion-Design-Projekts, das wir erfolgreich vermittelten, fiel diese vielsagende Aussage, die ich mir direkt habe freigeben lassen: Kannst du den Künstler in dir überwinden und so lange (bezahlt) liefern, bis der Auftraggeber glücklich ist?
Ich versuche es nochmal und bringe einen Vorschlag zur Reaktivierung von Bestandskunden ein. Aktuell bringen 2-3 wöchentliche Akquise Mails von mir gerade mehr Abschlüsse. Ich bitte darum, das zu fokussieren und bekomme zurück: “Ich denke du willst damit nicht sagen, dass meine Arbeit für Nüsse ist.” Dabei geht es mir gar nicht darum. 22 Anfragen im Februar sind nicht wirklich schlecht. Allerdings sind nur 5 Anfragen davon auf direkte Akquise von Phil zurückzuführen, 7 auf meine und 7 sind von einem Stammkunden, mit dem ich gut arbeite und bei dem auch immer einige Vermittlungen zustande kommen. Wir sprechen auch in der Mediation darüber, es passiert wenig. Ich wünsche mir ein System, doch es fühlt sich alles unstrukturiert und wirr an. Zwei Monate später entwickelt sich die kontinuierliche Generierung neuer Leads weiter positiv. Neukundenakquise macht Phil Spaß. Bestandskunden-Reaktivierung wird weiter gemieden.
Phil und ich – können nicht mehr miteinander
Ich leide, Phil leidet, die Firma leidet. Es geht nichts mehr Hand in Hand. Die fehlende Einigung auf die Art des Vertriebs, ob der Fokus Neukunden oder der Reaktivierung von Bestandskunden (oder mindestens ein gesunder Mix daraus) gelten soll, ist nur ein Beispiel für die Sackgasse, in der wir trotz Mediation stecken. Ich tue mir immer schwerer, empathisch auf ihn einzugehen, weil es mir umgekehrt völlig abgeht. Gewisse Dynamiken können aus meiner Sicht mit einer toxischen Beziehung verglichen werden. Dabei hatten wir die unterschiedlichen Fähigkeiten doch mal wertgeschätzt. Eigentlich.
Phil charakterliche Schattenseiten: Unklar, undifferenziert, beleidigend
Er wirkt auf mich zunehmend unklar mit sich selbst. Wie soll ich ihn da verstehen? Meist verstehe ich nicht genau, was er eigentlich sagen will. Er will mich in seine Themen hineinziehen, gelobt werden wollen, aber mich gleichzeitig auch heraushalten, wenn ich ihn wieder kritisiere. Das hat für mich nen narzisstischen Touch. Davon bin ich eingeschüchtert. Wenn ich nicht zu sehr involviert bin, sondern möglichst komplett sachlich rede, dann geht es ganz gut. Wenn ich aber emotional involviert bin und klare Wünsche äußere, zieht er sich in die Opferrolle zurück und spielt es mir über Bande zurück.
Ein Beispiel war die derbe Beleidigung, die ich in einer der Mediationssitzungen kassierte. Während er als erfolgreicher Fotograf für die Firma zurückstecke und sich mit Steuern und Kreditrückzahlung rumschlagen müsse, würde ich einfach so Kohle vom Staat bekommen. Und wenn ich nicht NOOK machen würde, wäre ich bestimmt auch einfach so arbeitslos.
Ich glaube, er leidet hart darunter, dass ich alles hinterfrage und kann da nicht zwischen Person und Sache differenzieren. Für mich ist deshalb auch bis heute eine große Frage, wie Kritik funktioniert, die keine Brücken einreißt. Das BWL-Studium scheint hier vielleicht schon hilfreich gewesen zu sein, um etwas in Business-Bahnen zu denken, ohne die gute Sache außen vor zu lassen. Phil hatte zum damaligen Zeitpunkt kein fundiertes Business-Wissen und konnte auch keine klare Geschichte erzählen. Ich war jahrelang erfolgreicher Coach bei ihm. Doch irgendwann scheint irgendwas kaputt gegangen zu sein.
So wie damals auch mit Hannes. Die beiden hatten zum damaligen Zeitpunkt schon zwei Jahre keinen Kontakt. Phil hat ihn verstoßen, weil ihm etwas an Hannes nicht gepasst hat – das fühlt sich für mich bei mir ähnlich an. Hannes und ich sind bis heute Freunde. Er fand meine Berichte der Entwicklungen damals schlimm, meinte aber vernünftigerweise, dass das eben auch nur meine Perspektive ist, die er da hört.
Phil liebt es immer noch, mir ausschweifend und im Detail von seiner Vertriebsarbeit zu erzählen, ohne dass ich nachfragen würde. Könnte ich zukünftig in solchen Situationen loben, auch wenn ich mir vor allem denke, dass mich das nur sekundär interessiert, wenn der Umsatz nicht entsprechend korreliert?
Meine Perspektive: Sehnsucht, Hoffnung und Leere
Ein weiteres Jahr des gegeneinander Arbeitens kann ich mir nicht mehr vorstellen, ich brauche ein Mindestmaß an menschlicher Verbindung und Austausch. Miteinander reden. Sich besser machen, miteinander lachen, sich bestärken. Einfach, dass man Freude an der guten Sache hat. Wenn ich NOOK NAMES verlasse, wollte ich gern nochmal studieren, mit den gewonnen Kontakten freelancen und wieder Leben.
Der Gedanke war: Wenn ich es schaffe mit round about 30.000€ rauszugehen, auch wenn es später ein Millionenunternehmen werden könnte, schenkt mir das eine bessere Zukunft, in der ich sehr viel, sehr frei aufbauen könnte. Wie eine Art zeitlich begrenztes Grundeinkommen. Wie schön wäre es, sich von 1-3 Tagen Arbeit pro Woche ein passables Leben zu finanzieren? Etwas, das mir seit ich in Berlin bin fehlte.
Im Prozess begann ich mit Hannes eine eigene Freelancer-Website umzusetzen, die die Kernprinzipien von guten Freelancer-Websites aus den fünf Jahren Freelancer-Startup berücksichtigt: creativeconcept.biz. Parallel schloss ich zu dem Zeitpunkt die Bewerbung für den Master Zukunftsforschung ab.
Ich sah drei Optionen, wie es weitergehen kann: Prio 1 wäre, die Unternehmung alleine weiterzuführen. Die Vorstellung, das Leben als Freelancer zu bestreiten, macht mir bis heute Angst. Entsprechend baute ich ein Pitchdeck für NOOK NAMES. Die Story funktionierte für mich auch: 1. Was sich Unternehmen und Freelancer wünschen, 2. Was der Markt aktuell hergibt (vieles, aber nix richtig gutes), 3. Was wir aktuell bringen (gelegentlich knapp 300 Auftraggeber mit 1.000 Freelancern connecten), 4. was wir bringen könnten (360 grad Anlaufstelle) und 5. was es dafür braucht. Bei der Suche nach belastbaren Zahlen merke ich, wie mir die Energie eher flöten geht. Gleichzeitig schreckt mich auch die Suche nach neuen Geschäftspartner*innen. Ich bin eigentlich hoffnungsvoll, aber mit meinen Kräften auch am Ende.
Mediation führt zu meinem Buyout
Was für ein Zwiespalt! Als Unternehmen sind wir nach Jahren harter Arbeit am Start, doch die beiden Chefs kommen nicht mehr miteinander klar. Zwar hatte ich frühzeitig ein komisches Bauchgefühl, über das mich die aufkommende Freundschaft mit Hannes hinweg tröstete, aber im nachhinein hätten wir es wie Einhorn machen sollen, die nach ihren Startup-Erfahrungen erstmal ne Mediation miteinander machten, bevor sie gründeten.
Januar bis Ende April verläuft zäh
Der Mediator sagt, wir müssten jeweils lernen zu akzeptieren, was uns aneinander nicht passt. Mir scheint allerdings, das Kind war da schon in den Brunnen gefallen. Es gibt keine gemeinsamen Ziele für die Firma mehr, die die eigene intrinsische Motivation treibt. Mir wird klar, dass ich definitiv nicht mehr mit Phil arbeiten will. Er hat sich aus meiner Sicht monatelang konstruktivem Austausch verweigert. Jetzt habe ich keine Neugier mehr darauf, was er vielleicht zu bieten hat.
Was er nicht zu bieten hat, ist mir ja längst klar. Bei einem Termin wollte er nicht über mögliche Szenarien sprechen, wie es weitergehen soll. Weil: Er ist nicht vorbereitet. Der Mediator fragt mich, ob ich das verstehe. Auf meine zynische Reaktion, dass ich das nicht anders kenne und 1-2 weitere, genervte Spitzen in den nächsten Minuten, meinte Phil dann irgendwann, dass es ihm am liebsten sei, wenn wir NOOK einfach auflösen. Wie oben angemerkt: toxische Dynamik. Noch 10 Minuten vorher hatte ich gesagt, diese Option wäre für mich unsinnig, da wir aktuell ohne groß was zu tun unseren 1.000€ Monatsumsatz sicher haben. Im Nachgang: Obwohl wir alle drei zusagten, schnellstmöglich einen neuen Termin zu finden, folgt auf die Vorschläge des Mediators meine Bestätigung für den Termin, an dem wir laut Kalender beide können. Phil sagt den dann, 100% beabsichtigt, in einer Mail an den Mediator ab, ohne mich cc zu nehmen.
In einer gemeinsamen Runde mit unserem Business Angel wollte der Mediator zum Schluss wissen, wie wir uns jetzt fühlen. Phil war ok, der Business Angel auch, aber etwas nachdenklich. Ich meinte, ich fühle mich schlecht mit den vagen Aussagen von Phil. Der daraufhin: Ich weiß, was ich will. Ich will Geschäftsführer bleiben. Das war ein guter Punkt, weil wir daraufhin evaluieren konnten, wie das auch klappen könnte.
25.4.2017: Der Durchbruch
Nach intensiver Sitzung hatten wir acht Optionen. Schnell wurde es noch konkreter. Ab dem Moment suchte Phil einen Investor, der mich rauskauft. wär ne entspannte Lösung. Gab ihm noch die liebevolle Motivation auf den Weg, dass ich nicht glaube, dass er das in den angepeilten acht Wochen hinbekommt, aber ich zustimmen werde, falls doch. Und dazu stehe ich. Wenn ich so viel Kohle bekomme, dass ich davon zwei Jahre relativ sorgenfrei leben kann, werde ich es machen. Ich brauche eine Lösung, habe das in der Mediation auch rausgeschrien.
Kurz darauf schickt Phil mir sein Pitchdeck, das teils echt geile Element enthält, auch wenn es sich kaum an klassische Anforderungen an ein Pitchdeck hält – und vor allem fehlte häufig eine Fundierung der Argumente. Ich feedback so konstruktiv wie möglich: “Du hast dir viel Gedanken gemacht und viel Inhalt angesammelt. Wenn du das jetzt auf 10 Slides runter brichst, kann es richtig gut werden.” Daraufhin folgte dann viel anstrengendes Hin und Her zur Suche bis hin zum finalen Gespräch. Phil hatte tatsächlich innerhalb der gesetzten Frist einen Kaufinteressenten gefunden. Vor einem persönlichen Treffen erhalte ich eine Informationsmail zum Stand der Dinge, die deutliches Interesse erkennen lässt – und die Möglichkeit für meine zwei Jahre der Freiheit beinhaltet.
“I just did it”
“Per Handschlag zu einem akzeptablen Betrag verkauft” war das erste, was ich nach dem Live-Verhandlungsmarathon schrieb. Und: Ich glaub’s erst, wenn wir nen Vertrag haben und ich die Kohle. Aber er wirkt schon ernsthaft. Gleichzeitig war es ein furchtbar zähes Pokerspiel: Ich hab Phil und NOOK gut gemacht und er hat alles schlecht gemacht. Letztlich habe ich alle Klauseln zu meinem Abschied erfüllt bekommen und er dafür eine steuerlich sinnvollere Lösung mit gestückelter Zahlung. Er checkt jetzt nochmal Details, dann schließen wir einen Vorabdeal mit Strafe, falls es nicht zustandekommt. Und dann bereitet er mit seinen Anwälten zig Sachen wie die Umwandlung zur GmbH, Veränderung des Gesellschaftsvertrages etc vor. Über die Bühne soll es dann im August gehen.
Der Kaufinteressent hat für große Firmen mit seinem Team immer sehr gute bezahlte Apps entwickelt. Jetzt sucht er ein Produkt, in das er sein zurückgelegtes Geld investieren kann, um dann zu skalieren, was mit seinem bisherigen Business nicht ging. Ich mochte ihn auf Anhieb überhaupt nicht. Zunächst schien er war supernervös. Seine freundliche Art schien eher aufgesetzt. Ich würde es hassen, mit ihm zu arbeiten. Ich sah die Chancen der beiden als neue Macher von meinem Baby als relativ ausgeglichen. Sie könnten sich gut ergänzen oder sich komplett zerfleischen, insbesondere da seine Härte nochmal nen ganz anderes Level hat als meine.
Abschluss mit neuem Teilhaber: Ein reines Trauerspiel
Wenige Wochen später, ich hatte inzwischen die Zusage für den Master Zukunftsforschung erhalten, schien immer noch alles problemlos. Doch bereits Mitte Juni konnte der Kaufinteressent mehrere Terminabsprachen nicht einhalten. Nach meinem Hinweis, dass ich es schätze, wenn Absprachen eingehalten werden, kam eine aufgeregte Mail: “Du wirst niemanden finden, der mich als unzuverlässig oder nicht vertrauenswürdig bezeichnen würde und ich hoffe du hast auch nicht den Eindruck gewonnen. Ein bisschen gegenseitiges Vertrauen ist also schon notwendig (sonst müsste ich Angst haben, dass ich alles vorbereite, und du am Ende doch nicht verkaufen möchtest).”
Mit dem ersten Vertragsentwurf wurden offensichtlich einige Regelungen zu meinem Nachteil getroffen, bei gleichzeitiger Kommunikation, wie gut das doch auch für mich wäre. Die Kommunikation basiert vor allem auf langen Mails mit viel Fachchinesisch. Ich versuchte mich an einem bestmöglichen Kompromiss zwischen reinfuchsen und im Detail gutes zu bewirken und im Frieden eine okaye Lösung zu erzielen. Eine Lösung für eine sehr komplizierte, eingefahrene Situation. Außerdem muss ich mich vor der finalen Unterzeichnung entscheiden, ob ich den Master Zukunftsforschung studieren möchte oder nicht.
Der Fahrplan war auch Wochen später nicht so richtig klar. Ein finaler Vorvertrag lag dann irgendwann vor. Ich habe ihn gefeedbacked. Dann zog es sich wieder. Nach einigem hin und her (Stichworte: zu GmbH-Umwandlung und meine Involvierung darin, Steuer, GF-Rücktritt, Buyout Business Angel, Konkurrenzklausel) setzte ich eine Woche vor einem NOOK Event eine Deadline: Davor wird unterschrieben, damit ich mich ordentlich verabschieden kann. In einem kurzfristig anberaumten persönlichen Treffen fanden wir schnell Kompromisse, die beiden genug bringen und genug leiden lassen.
Kurz vorher eskaliert es nochmal. Die Kommunikation fühlte sich an, wie mit einem Schachcomputer zu spielen. Mails beginnen mit 1. und enden mit 5. und es geht nur darum, was ich jetzt zu tun und zu machen habe. Ich forderte entsprechend nochmal eine Klausel, dass wenn der Notartermin nicht wie besprochen fixiert wird, ich trotzdem für jede Woche, die noch ins Land zieht 1.000€ extra bekomme. Phil versuchte zu schlichten. Ich machte klar, ich mache das nicht, weil ich unbedingt raus will, sondern nur wegen eines sinnvollen Kompromisses für unsere Firma. Phils Antwort: Sie hatten diskutiert, dass sie einfach ne neue Firma ohne mich gründen. Haben das dann aber verworfen, weil der Kaufinteressent nicht gleich nen Feind haben wollte. Klingt spaßig, wa? Hoffentlich wird das Studium spaßiger, das ich gestern zugesagt habe, waren meine Gedanken.
Die Klausel bekam ich nicht, aber dafür wurden die zuvor verabredeten Kompromisse dann doch so eingehalten. Am 19.7. 2017 verkaufte ich also vor unserem 20ten Event die Anteile an meiner Firma.
Das Event selbst war sehr seltsam für mich. Als Gast. Mich störten natürlich Dinge, die bei meinem Mitwirken anders gelaufen wären. Vor allem Raumaufteilungs- und Platzprobleme. Gleichzeitig wurde mein Gästemaximum von 100 Menschen aufgehoben, sodass es zeitweise überlaufen war, sich aber nicht so um die Leute gekümmert wurde, wie es mir immer wichtig war. Das alles spielte aber keine große Rolle für mich. Ich hab mir leicht ein angetrunken und mir nach dem Intro des Agentur-GF kurz das Mikro geschnappt und gesagt, dass ich jetzt endlich die krassere Frisur als Phil habe. Damit hätte ich bei NOOK alles erreicht, was ich wollte und gehe deshalb. Den jahrelangen, spannenden Weg betont, wie dankbar ich für all die guten Bekanntschaften und Erfahrungen bin. Zum Abschied noch den finalen Lacher gezogen: Arbeiten möchte ich zwar nicht mehr mit Phil, aber das Micro übergeben tu ich trotzdem an ihn. Zack. Mikro in die Hand gedrückt, kurzes Zwinkern und weg. Wollte nicht vor 100 Leuten heulen.
Wenig später veröffentlichte ich meinen Abschiedsblogbeitrag, bei dessen Niederschrieb ich das mit den Tränen nachgeholt habe. Bis heute einer meiner emotionalsten Texte: NOOK Abschied
Nach dem Abschied
Für mich persönlich war der radikale Bruch gut: Direkt von NOOK NAMES rein in den Master Zukunftsforschung an der FU Berlin. Wie beschwingt genoss ich die Zeit ohne finanzielle Sorgen, saugte neues Wissen auf und verlor innerhalb eines Jahres 13 Kilo. Zum Abschluss möchte ich noch meine Beobachtungen teilen, wie es mit meinem Baby weiterging und was ich aus dieser Zeit gelernt habe.
Wie es mit NOOK NAMES weiter ging
Wenige Monate nach meinem Abschied launched eine neue Website, deren viele Ankündigungen nur von der Häufigkeit der Rechtschreibfehler übertroffen wird. Das alte Geschäftsmodell der provisionsbasierten Vermittlung wird hier nicht mehr beworben, ein neues fehlt allerdings auch.
NOOK NAMES firmiert fortan als GmbH, die standesgemäß in Büroräume an der Friedrichstraße umzieht. Während die obigen Ankündigungen (zumindest auf der Website) nie eingehalten werden, häuften sich die Rückfragen bei mir, wieso denn “unsere” Kommunikation so eingeschlafen sei. Mein Versuch, daraufhin eine gemeinsame Sprachregelung zu definieren, verlief im Sande.
Das mit Abstand größte Projekt, das wir vermittelt hatten, das aber etwas in der Luft hing, kommt nach meinem Abschied auf einmal dann doch zustande. So dürfte noch für eine Weile Liquidität sichergestellt worden sein. Ich vermute hierzu gab es auch schon Vorabinformationen, die mich nie erreichten.
Im Gespräch mit meine Chatpartner stellte ich fest, dass das “neue” Modell im Prinzip ein Rollback zu der Website ist, die es gab, bevor ich kam: Viele Ideen, wenig Konkretes. Leider diesmal ohne schönes Design und auch verschiedene Links funktionierten nie. Ich empfinde Fremdscham.
Kurz vor dem letzten offiziellen NOOK Event fliege ich aus dem Eventverteiler. Kommunikation findet nie statt. Nach langer Überlegung lud ich Phil im Herbst 2018 zu meinem Geburtstag ein – hier lehnte er dankend ab. Seitdem gab es keinen Kontakt mehr, die Website entwickelte sich nicht mehr weiter und ich erfuhr nur über Ecken über einige interne Probleme.
Ende 2021 wurde die NOOK NAMES GmbH offiziell aus dem Handelsregister gelöscht und verschmolz mit der Firma meines Nachfolgers. Wenn dieser Absatz sich etwas gehässig liest, dann auch deshalb, weil ich lieber stolz mit einem Projekt hausieren gehen würde, das ich mit aufgebaut habe. So verlief NOOK NAMES nach meinem Ausstieg im Sande – und das freut mich weniger, als ich im ersten Halbjahr 2017 das ein oder andere Mal gedacht hatte.
Wie blicke ich heute mit fünf Jahren Abstand auf die fünf Jahre zurück?
Erstmal: Wenn der Text hier live geht, sind es schon über sechs Jahre. Das liegt daran, dass ich mich noch mit keinem Text so schwer tat, wie mit diesem. So persönlich, so nah an mir, so zwangsläufig unvollständig, ob der Vielfalt der Erlebnisse in diesen fünf Jahren.
Meine zentrale Erkenntnis: Auch, wenn Phil wohl nicht der richtige Geschäftspartner für mich war, so war mein Anteil an den Konflikten deutlich höher, als ich das damals empfunden habe. Ich habe mich selbst überhöht, war arrogant und habe die Ebene gewaltfreier Kommunikation regelmäßig verlassen.
Das Projekt war ein Klassiker der sunk cost fallacy: Wir hatten schon so viel investiert, dass eine Umkehr, zudem sich ja doch auch geschäftliche Erfolge einstellten, kaum möglich war. Wir waren eingeloggt, wie in einer Beziehung mit Kind, in der die Eltern sich nur auf die Nerven gehen, aber dem Traum einer funktionierenden Familie nachjagen.
Was würde ich heute anders machen?
- Bestehen auf Mediation, bevor es zu spät ist
- Ganz genau und frühzeitiger über die Finanzierung nachdenken
- In Kombination mit der Überlegung, ob es eine Unternehmergesellschaft bzw. GmbH sein soll oder nicht doch etwas Gemeinnütziges
- Iteration ja, aber doch auch auf klareren Stufenplan bestehen, wie wir uns entwickeln wollen und müssen
- Anerkennen, dass sich die Hilflosigkeit im Moment auflöst, wenn ich mich nicht reinsteigere
- Meine zeitliche Naivität, aber teils auch im menschlichen und business-seitigen Umgang – hat es gleichzeitig überhaupt erst möglich gemacht und gehört eben zu den 20er-Jahren dazu
Was habe ich mitgenommen?
- Wertschätzung für gutes Design
- Selbstbewusstsein in so vielen Bereichen, sei es spontanes Troubleshooting, Events organisieren und optimieren oder fremde Menschen anrufen
- Ich kann funktionierende kommunikationskonzepte
- Netzwerk ist super wichtig, es geht aber weniger um Maße, als um echte Verbindung
- Kooperationen sind alles im Geschäftsleben
- Fokus darauf, meine Menschen im Alltag ernst nehmen zu können – und die Zeichen zu sehen, sollte sich das ändern, um entsprechend darauf reagieren zu können.
- Dass ich perspektivisch immer ein Team benötige, in dem ich mich wohl fühle – mit verschiedenen sich ergänzenden Persönlichkeiten und Rollenklarheit
NOOK NAMES hat mein Leben geprägt, mich an der unternehmerisch-idealistischen Praxis wachsen lassen und mir die Türen geöffnet für eine neue Passion: Die Zukunftsforschung.